Resilienz (Teil 3)

Veröffentlicht am: 22.09.2025 von Jan Göritz

Resilienz beginnt früher, als wir denken

Wer heute Resilienz entwickeln will, muss häufig erst einmal zurückblicken.

Denn ob wir in schwierigen Lebensphasen Halt finden oder innerlich kippen, hat viel mit dem zu tun, was wir als Kinder erlebt haben.

Ein Kind, das in einer liebevollen und stabilen Umgebung aufwächst, entwickelt eine Grundüberzeugung von Sicherheit und Selbstwirksamkeit.

Es lernt:

„Ich werde gesehen und ich darf Fehler machen. Ich bin wertvoll, auch ohne Leistung.“

Ein Kind hingegen, das permanent überfordert, ignoriert oder beschämt wurde, entwickelt eher Schutzmechanismen als Resilienz.

Dann entsteht oft:

„Ich darf keine Schwäche zeigen. Ich muss es allein schaffen. Ich bin zu viel.“

Diese frühen inneren Sätze bleiben meistens lange an uns haften. Selbst dann noch, wenn das Umfeld längst ein anderes ist.

Resilienz und Trauma

Ein Trauma bezeichnet nicht nur das, was passiert ist, sondern auch besonders das, was hinterher in uns zurückbleibt.

Menschen, die Gewalt, Vernachlässigung oder emotionale Kälte erlebt haben, entwickeln häufig keine stabile Resilienz, sondern eine Schein-Stärke, die in der Regel auf Abspaltung, Kontrolle oder einem ausgeprägten Funktionsmodus basiert.

In meiner Praxis fallen dann häufig Sätze wie:

  • „Ich bin immer für alle da, aber ich weiß nicht, was ich selbst brauche.“
  • „Ich funktioniere so lange gut, bis jemand mir zu nah kommt.“
  • „Ich beherrsche jedes Chaos, aber Nähe macht mir Angst.“

Das Problem ist nicht, dass diese Menschen nicht resilient wären, das Problem ist, dass diese Form der Resilienz nicht in uns gewachsen, sondern im warsten Sinne erarbeitet ist. Sie kostet entsprchend sehr viel Kraft und lässt gleichzeitig wenig Raum für Leichtigkeit und Lebendigkeit.

Therapie als Raum für echte Resilienz

In meiner therapeutischen Arbeit erlebe ich häufig, dass echte Resilienz erst dort beginnt, wo Kontrolle endet und wirklicher Kontakt entstehen darf.

„Ich habe überlebt, aber ich habe mich nicht gespürt.“ (ehemaliger Klient)

Dieser ehemalige Klient war durch seine Kindheit wie durch ein Minenfeld gegangen: hochleistend, hyperwach, immer angepasst. Von außen wirkte er zwar souverän, aber innen war nur Leere.

Er hatte sich selbst nie als jemanden erlebt, der ein Recht auf Schutz, Freude oder überhaupt ein Recht auf irgendwas hatte.

In diesem Fall bekam die therapeutische Beziehung eine ganz besondere Bedeutung: Die stabile therapeutische Allianz ermöglichte dem ehemaligen Klienten das Gefühl, einfach sein zu dürfen ohne das etwas Schlimmes passiert, zum ersten Mal zu erfahren.

Und aus dieser Erfahrung kann Resilienz wachsen.

Resilienz wächst nicht im stillen Kämmerlein

Resilienz ist nichts, das man alleine für sich „üben“ kann. Resilienz ist eine Ressource, die sich besonders gut in sozialen Kontexten ausbildet

  • Wer als Kind gesehen wurde, wird sich eher selbst sehen können.
  • Wer gehalten wurde, kann sich später selbst halten lernen.
  • Wer gelernt hat, Hilfe anzunehmen, wird sich in Krisen nicht isolieren.

Deshalb ist jede Resilienzarbeit auch Beziehungsarbeit.

Bezogen auf Therapie, auf Freundschaft und vor allem auf die Art, wie wir mit uns selbst sprechen.

Konkrete Übungen zur Stärkung von Resilienz

Das innere Notfallkit

Eine einfache Liste mit Dingen, die sofort helfen können.

  • Musik, die mich erdet
  • eine Person, die ich anrufen kann
  • ein bestimmter Ort (real oder imaginiert)
  • ein Satz, der mir Halt gibt
  • ein Ritual (Tee trinken beispielsweise.)

So können Sie in emotional aufgewühlten Momenten schnell wieder handlungsfähig werden.

Der Selbstmitgefühlsbrief (nach KRISTIN NEFF)

Eine kleine, aber intensive Übung:

Schreibe Dir einen Brief – so, wie Du ihn einem guten Freund oder einer Freundin schreiben würdest, wenn sie in Deiner Lage wäre. Mit Mitgefühl, Verständnis, Ermutigung.

Auf diesem Weg lässt sich der  innere Kritiker langsam aber sicher durch eine mitfühlende Stimme ersetzen.

Körperarbeit

Atemübungen, progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Yoga oder auch schon das einfache Spüren der Füße auf dem Boden können helfen, wieder ins Hier und Jetzt zu kommen.

So stärken Sie das Gefühl von Sicherheit im eigenen Körper.

Mikroschritte würdigen

Stellen Sie sich am Ende eines jeden Tages folgende Fragen:

  • Was habe ich heute gut gemacht?
  • Wo habe ich gut für mich gesorgt?
  • Welche Entscheidung war stimmig?

So machen Sie sich immer wieder Ihre eigene Selbstwirksamkeit bewusst.

Weiterführende Informationen

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FAQ

Sehr großen. In der Kindheit werden zentrale Grundüberzeugungen gebildet: ob wir uns sicher fühlen, ob wir Unterstützung erfahren haben, ob wir uns ausdrücken durften. Wer in einem stabilen Umfeld aufgewachsen ist, hat oft ein robusteres seelisches Fundament – aber auch später lässt sich Resilienz entwickeln oder nachreifen.

Viele Menschen, die Trauma erlebt haben, wirken nach außen stark, kontrolliert oder besonders leistungsfähig. Doch oft basiert diese Stärke auf Abspaltung, Überanpassung oder dem Versuch, nie wieder verletzbar zu sein. Was fehlt, ist häufig ein echter innerer Halt – verbunden mit Selbstfürsorge, Vertrauen und emotionaler Offenheit.

Therapie bietet einen geschützten Raum, in dem Menschen sich selbst wieder spüren und neue Erfahrungen mit Nähe, Halt und Akzeptanz machen können. Es geht nicht um „Funktionieren“, sondern darum, wieder Zugang zur eigenen Lebendigkeit zu finden – und daraus echte innere Stärke zu entwickeln.

Ja. Besonders hilfreich sind kleine, alltagstaugliche Übungen wie das „Innere Notfallkit“, Atemtechniken, Selbstmitgefühlsbriefe oder tägliche Mikroschritte zur Selbstwirksamkeit. Entscheidend ist nicht die Methode, sondern die Wiederholung: Resilienz wächst durch gelebte Erfahrung.


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