Resilienz (Teil 2)

Veröffentlicht am: 15.09.2025 von Jan Göritz

Dieser Teil handelt von Eigenverantwortung, Lösungen, schwierigen Umfeldern und der Frage: Was kann ich selbst tun?

„Vielleicht liebe ich mich nicht immer, aber ich habe ein stabiles Ich-Mag-Mich-Fundament, auf dem ich entspannt mit Jonas und mir selbst umgehen kann.“

Mit diesem Satz endete nicht nur eine Sitzung, sondern auch ein innerer Kampf gegen sich selbst und seine Bedürfnisse.

Und genau das ist ein Kern von Resilienz: Sich nicht innerlich selbst zu bekämpfen, sondern sich als wohlgesonnenen Mitstreiter zu gewinnen.

Weitere Säulen der Resilienz

6. Eigenverantwortung statt Opferrolle

Wer in der Krise steckt, darf natürlich jammern und klagen. Vielleicht ist man da sogar manchmal am Verzweifeln. Die Frage ist nur: wie lange?

Das ist subjektiv unterschiedlich, manchmal reichen Tage oder wenige Wochen und manchmal zieht es sich auch über Monate.

Resilienz basiert auf Mitgefühl für uns selbst sowie Mitgefühl für andere. (Sharon Salzberg)

Aber früher oder später kommen wir an einen Punkt, an dem wir aus dem Jammertal wieder auftauchen, die Ärmel hochkrempeln und uns fragen:

Was kann ich aktiv tun?

Menschen mit einem hohen Maß an Resilienz übernehmen Verantwortung für das, was sie beeinflussen können. Alles was außerhalb des eigenen Machtbereichs liegt, darf losgelassen werden.

Es geht nämlich darum, sich Handlungsspielräume zurückzuerobern.

Ja, ich bin verletzt worden. Und ich entscheide auch, ob diese Wunde mein Leben bestimmt.

Das ist Selbstermächtigung.

7. Lösungsorientierung statt Problemverliebtheit

Resiliente Menschen verharren nicht dauerhaft im Problem. Sie nehmen es wahr, ja – aber sie kreisen nicht endlos darum.

Sie fragen sich:

  • Was genau ist das Problem?
  • Was habe ich schon ausprobiert?
  • Was könnte mein nächster kleiner Schritt sein?

Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht. (Publilius Syrus)

Lösungsorientierung bedeutet nicht, dass man immer die perfekte Lösung parat hat, sondern dass man überhaupt beginnt, in Bewegung zu kommen.

  • „Was wäre eine 10 %-Lösung?“
  • „Was kann ich für mich tun?“
  • „Was lasse ich los?“

In der Therapie arbeite ich häufig mit dem Bild eines vernebelten Wegs:

Man muss nicht wissen, wie der ganze Pfad aussieht. Es reicht, wenn man die nächsten zwei Meter sehen kann.

8. Selbstwirksamkeit statt Ohnmacht

Ein zentrales Element psychischer Stabilität ist die Überzeugung, etwas bewirken zu können.

Menschen, die an ihre Selbstwirksamkeit glauben, trauen sich eher neue Schritte zu, probieren etwas aus, reflektieren und justieren nach.

Mut brüllt nicht immer. Manchmal ist Mut die leise Stimme, die sagt: ‚Ich versuche es morgen noch einmal‘ (Mary Ann Radmacher)

Wer dagegen über längere Zeit das Gefühl hat, dass sein Handeln keine Wirkung zeigt, kann depressiv oder apathisch werden.

Resilienz bedeutet hier, sich kleine Erfolge zu schaffen, beispielsweise morgens das Bett zu machen und Dinge anzupacken, anstatt darüber nachzudenken, sie anzupacken.

Die Kehrseite: Toxische Resilienz

Was vielen Menschen heutzutage zu schaffen macht, ist nicht der Mangel an Resilienz, sondern der zunehmende Druck des Umfelds, resilient sein zu müssen.

„Beiß die Zähne zusammen!“

„Bleib positiv!“

„Du musst einfach durchhalten!“

Viele Klienten berichten davon, dass sie das Gefühl haben, für „Schwäche“ wäre kein Platz mehr. Alle würden nur noch Erfolge vor sich hertragen. Und genau da, wo es nur noch Erfolge gibt, werden vermutlich auch solche Durchhalteparolen geboren, die aber in der Regel eher Schaden anrichten.

Wer sich der Torschlusspanik hingibt, der vergisst, dass sich neue Tore öffnen, während sich die alten schließen.(Viktor Frankl)

Denn sie ignorieren die individuelle Lebenssituation des Einzelnen und verfehlen damit häufig das Ziel.

So braucht beispielsweise ein Alleinerziehender, der zwei Jobs ausübt und trotzdem noch ausreichend Zeit für sein Kind aufbringt ganz konkrete Unterstützung wie bezahlbaren Wohnraum oder einen Kita-Platz.

In einer solchen Situation hilft ein Resilienz-Podcast natürlich nicht.

Wir haben immer Einfluss

Trotz all dieser strukturellen Faktoren gibt es etwas, das wir in der Hand haben:

Unseren Umgang mit uns selbst.

Wie wir innerlich mit uns sprechen.

Ob wir uns verurteilen oder unterstützen.

Ob wir uns wie eine Maschine behandeln oder wie einen Menschen.

Resilienz entsteht nicht durch Verdrängung, sondern durch Verbindung: In erster Linie eine tragfähige Verbindung zu uns selbst, aber auch zu anderen und auch zum Leben.

Fragen zur Selbstreflexion

  • Wann habe ich zuletzt Verantwortung für mich übernommen? Wie hat sich das angefühlt?
  • Wo neige ich dazu, in Problemen zu kreisen? Was könnte mich in Richtung Lösung bringen?
  • Welche kleinen Dinge im Alltag zeigen mir, dass ich Einfluss auf mein Leben habe?
  • Was raubt mir Selbstwirksamkeit? Was stärkt sie?
  • Wo verwechsle ich innere Stärke mit Selbstverleugnung?

Weiterführende Informationen

Teil 3 lesen Sie hier am 22.09.2025

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FAQ

Verantwortung bedeutet, Handlungsspielräume zu erkennen und zu nutzen – ohne sich für alles schuldig zu fühlen. Schuld lähmt, Verantwortung befähigt. Resiliente Menschen übernehmen Verantwortung für das, was sie beeinflussen können, ohne sich für Dinge zu verurteilen, die außerhalb ihres Einflusses liegen.

Weil sie verhindert, dass wir uns im Problem verlieren. Lösungsorientierung heißt nicht, sofort die perfekte Lösung zu finden, sondern überhaupt in Bewegung zu kommen – Schritt für Schritt. Das Gefühl, selbst aktiv werden zu können, stärkt unser inneres Gleichgewicht.

Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung: „Ich kann etwas bewirken.“ Sie entsteht durch Erfahrung – etwa wenn wir spüren, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Stärken lässt sie sich durch kleine, greifbare Erfolge im Alltag, bewusstes Entscheiden und das Wahrnehmen eigener Fortschritte.

Ja – genau deshalb ist es wichtig, Resilienz nicht als Pflicht oder Leistung zu sehen. Der gesellschaftliche Druck, immer stark und belastbar zu sein, kann selbst krank machen. Resilienz darf keine Ersatzlösung für fehlende Unterstützung sein – sondern muss frei und individuell wachsen dürfen.


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