Humor ist lebenswichtig (Teil 1)
Veröffentlicht am: 18.08.2025 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 18.08.2025 von Jan Göritz
Der Humor nimmt die Welt hin, wie sie ist, sucht sie nicht zu verbessern und zu belehren, sondern mit Weisheit zu ertragen. (Charles Dickens)
Vermutlich kennen wir alle Situationen, in denen das Zitat von Charles Dickens passen würde. Aber es muss gar nicht immer um die Welt gehen, es gibt auch kleinere Situationen, in denen Humor hilft, um aus einer Erstarrung herauszukommen und die Situation aufzulockern und wieder in einen Fluss zu bringen.
Aber was, wenn er fehlt? Wenn alles nur noch ernst und angespannt ist? Dann verschiebt sich wahrscheinlich das Schwarz-Weiß-Denken immer mehr in Richtung Schwarz. Man sieht nur noch Probleme und fühlt sich immer häufiger benachteiligt. Das Weltbild, das sich aus einer solchen Grundhaltung entwickelt, ist eher von Wut, Ablehnung und Hass geprägt als von Freude, Liebe und Humor.
Fehlt er über längere Zeit, wird das Leben schnell dunkel und schwer. Ohne den befreienden Impuls eines Schmunzelns verlieren selbst kleine Herausforderungen ihre Leichtigkeit und wachsen zu scheinbar unüberwindbaren Hindernissen. Humor ist nicht nur ein Lachen zwischendurch, sondern ein Schutzmechanismus und kreativer Perspektivenwechsel. Und manchmal ist er das „Irgendwo“, von dem laut Poesiealbum ein Lichtlein kommt, wenn man denkt, es würde nichts mehr gehen.
Wenn man ihn pflegt, bewahrt man sich einen inneren Schutzraum, der hilfreich sein kann, um nicht zu verhärten oder zu verbittern.
Meiner Meinung nach hat echter Humor immer etwas mit Respekt zu tun. Schadenfreude oder „Witze“ auf Kosten anderer sind es demnach eher nicht. Vielleicht kennen Sie den guten Spruch: „Was du nicht willst, was man dir tu, das fügt auch keinem anderen zu.“ Man kann sich also jederzeit fragen, ob man diesen Spruch oder Witz auch witzig fände, wenn man selbst das Ziel wäre.
Wie der Psychoanalytiker Sigmund Freud schon schrieb: „Der Humor ist nicht resigniert, er ist trotzig.“ Humorvoll zu agieren, impliziert also auch immer etwas Kämpferisches.
Er hat, gerade in seiner satirischen Form, oft auch eine politische und gesellschaftliche Dimension. Satire ist nicht immer „nett“. Sie spitzt zu, sie übertreibt und legt den Finger in die Wunde, und sie kann wehtun, weil sie Missstände offenlegt. Aber ihr Ziel ist es nicht, Einzelne herabzuwürdigen, sondern Strukturen, Ideologien oder Machtmissbrauch bloßzustellen.
Ein drastisches Beispiel ist die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Nach dem Anschlag auf ihre Redaktion im Januar 2015 reagierten die Überlebenden nicht mit Schweigen, sondern mit einer neuen Ausgabe, die den Titel „Tout est pardonné“ („Alles ist vergeben“) trug und das bekannte Bild des weinenden Propheten Mohammed, der ein Schild mit „Je suis Charlie“ hält, zeigte. Diese Reaktion war trotzig, mutig und ein Bekenntnis dazu, dass Lachen und kritischer Humor selbst unter Lebensgefahr nicht aufgegeben werden. Genau das ist die kämpferische Seite, von der Freud sprach: Er weigert sich, der Schwere das letzte Wort zu überlassen.
Ohne Humor verliert das Leben schnell an Farbe. Wer den Blick für das Komische im Alltag verliert, wer vergisst, wie man wirklich lächelt, sieht oft nur noch das, was schiefläuft. Aus kleinen Ärgernissen werden riesige Dramen, aus Missverständnissen tiefe Gräben. Das Denken verengt sich, bis fast nur noch Probleme im Sichtfeld sind.
Fehlt diese Leichtigkeit, verschwindet auch die Fähigkeit, Situationen aus einer gewissen Distanz betrachten zu können. Man ist dann wie in einem Raum ohne Fenster: Es ist stickig, man kann nicht hinausschauen, um neue Impulse zu bekommen, und es gibt keine frische Luft für die Seele. Je länger dieser Zustand anhält, desto eher schleichen sich Zustände wie Gereiztheit, Resignation oder sogar Verbitterung ein.
In einem solchen Zustand schleichen sich oftmals Vorurteile ein, die vom Trio „Gereiztheit, Resignation und Verbitterung“ natürlich perfekt integriert werden.
In meiner Arbeit sehe ich häufig, wie das Fehlen von Humor nicht nur den Umgang mit anderen erschwert, sondern gerade auch die Beziehung zu sich selbst belastet. Wer nicht mehr über eigene Schwächen lachen kann, bewertet sich oft gnadenlos hart. Dann wächst der innere Druck, was wiederum eine weitere Verhärtung zur Folge hat.
Humor ist in solchen Momenten wie ein kleiner Riss in der Wand: Er lässt wieder Licht hinein und lässt uns wieder weicher werden.
Es geht hier nicht nur um gute Laune, sondern um etwas, das auf mehreren Ebenen wirkt. Humor verändert nicht nur unsere Stimmung, sondern durchaus auch unsere körperlichen Prozesse. Wenn wir lachen, wird eine ganze biochemische Kaskade in Gang gesetzt: Stresshormone wie Cortisol sinken, das Herz-Kreislauf-System entspannt sich, und das Gehirn schüttet Endorphine aus.
Besonders spannend ist der Effekt auf Angst. Angst verengt nämlich unseren Blick, macht aus Mücken Elefanten und blockiert kreatives Denken. Humor hingegen öffnet diese Enge. Er erlaubt es uns, mit einer gewissen Distanz auf das Bedrohliche zu schauen. Das hat beileibe nichts mit Kleinreden zu tun, sondern damit, es besser zu können. Wer lacht, signalisiert dem Nervensystem, dass es gerade nicht lebensgefährlich ist. Dadurch wird der Kampf-oder-Flucht-Modus heruntergefahren, und wir können wieder klarer denken.
In der Therapie kann ein gezielter humorvoller Moment genau diesen Effekt auslösen. Ich erinnere mich an eine Klientin, die immer wieder sagte: „Ich muss alles perfekt machen, sonst bin ich komplett gescheitert.“ Eines Tages, mitten in einer Sitzung, erzählte sie, dass sie am Vortag beim Kochen vergessen hatte, Salz ins Nudelwasser zu geben, weil sie den „Kopf so voll“ hatte – und das sei „mal wieder typisch für ihr komplettes Versagen“.
Ich schaute sie ernst an und fragte: „Und … wie ist es jetzt so, so ganz alleine?“
Sie blinzelte irritiert. „Wie meinen Sie das?“
„Na ja“, sagte ich todernst, „ich kann ja wohl davon ausgehen, dass Ihr Mann sich und die Kinder in Sicherheit gebracht hat nach diesem Mordanschlag.“
Für einen Moment war sie sprachlos, dann fing sie an zu lachen. Erst zaghaft, aber es dauerte nicht lange und sie wischte sich die Tränen aus den Augen. In diesem Augenblick verlor das vermeintliche „Versagen“ seinen bedrohlichen Charakter. Statt in der Perfektionsspirale gefangen zu bleiben, konnte sie die Situation als eine kleine, menschliche Panne sehen und sich selbst mit mehr Milde betrachten.
Humor wirkt also fast wie ein Stoßdämpfer, der uns hilft, auch eine Straße voller emotionaler Schlaglöcher ohne Achsbruch zu überstehen.
Teil 2 lesen Sie hier am 25.08.2025
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Mehr InformationenEr schafft emotionale Entlastung, baut Brücken zwischen Menschen und hilft, schwierige Situationen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Er ist ein natürlicher Schutzmechanismus gegen Verbitterung, Gereiztheit und Resignation.
Echter Humor basiert auf Respekt und lädt andere zum Mitlachen ein. Spott oder Sarkasmus, der gezielt verletzt, mag kurzfristig Lacher bringen, hinterlässt aber oft emotionale Schäden und Distanz.
Ja, wenn sie Missstände, Machtmissbrauch oder gesellschaftliche Probleme aufzeigt, ohne Einzelpersonen unnötig zu demütigen. Satire kann sogar eine besonders kämpferische Form von Humor sein, wie das Beispiel Charlie Hebdo zeigt.
Ohne Humor wird das Leben schnell schwer und eng. Probleme erscheinen größer, der Blick verengt sich, und Gefühle wie Gereiztheit, Resignation oder Verbitterung nehmen zu. Er ist wie ein inneres Fenster, das Licht und frische Luft in die Seele lässt.