Negative Glaubenssätze verändern (Teil 2 – Praxis)
Veröffentlicht am: 28.02.2018 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 28.02.2018 von Jan Göritz
Nachdem Sie Teil 1 gelesen und sich mit Ihren eigenen negativen Glaubenssätzen (zur Inspiration habe ich hier eine Liste mit 100 negativen Glaubenssätzen für Sie zusammengestellt) auseinandergesetzt haben, geht es in diesem Artikel darum, diese Sätze zu verändern. Genauer gesagt: Wir werden neue Sätze finden, die an die Stelle der alten Sätze treten können und werden die veralteten Glaubenssätze im Archiv ablegen.
Zur Übersicht habe ich einen Veränderungs-Fahrplan erstellt:
Hier beginnt die eigentliche Veränderung:
Dieser Schritt ist in der Regel einfach, weil die negativen Glaubenssätze sich häufig in unserem täglichen Denken wiederspiegeln: „War ja klar, dass mir das passiert.“ Oder: „Immer muss ich die Drecksarbeit machen.“ Das sind Gedanken, die schon sehr häufig gedacht worden sein müssen, da sie mittlerweile generalisiert sind.
Wenn Sie diesen Artikel lesen, haben Sie wahrscheinlich schon eine Auswahl an Glaubenssätzen parat, die Sie verändern möchten. Deswegen gehe ich zum nächsten Schritt:
Einer meiner Klienten hatte beruflich eine schwierige Phase. Er ist selbständig und hatte zu dem damaligen Zeitpunkt wenig Glück bei der Akquise und daraus resultierend wenig Zuversicht. Das drückte seine Motivation, überhaupt noch den Telefonhörer zur Hand zu nehmen, gegen Null.
Ich bat ihn, alle Überzeugungen, die er bezüglich der damaligen beruflichen Situation hatte, aufzuschreiben. Und zwar jede auf jeweils einen kleinen Zettel.
Beim nächsten Termin hatte er folgende Auswahl dabei:
Wir überlegten, ob da Glaubenssätze bei sind, die einen ähnlichen Charakter haben, und die von ihrer Aussage her zusammengehören könnten.
Mein Klient bildete mit seinen Sätzen folgende Gruppen:
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Im nächsten Schritt geht es darum, negative Glaubenssätze zusammenzufassen, Kernaussagen zu finden und aus dem unübersichtlichen Satz-Chaos eine überschaubare Situation zu kreieren.
Diese zusammenfassenden Sätze hat mein Klient entwickelt:
Zu Gruppe 1:
Warum passiert mir ständig so eine Scheiße?
Zu Gruppe 2:
Den Scheiß fang ich gar nicht erst an.
Zu Gruppe 3:
Bringt mir eh nichts, kann ich gleich sein lassen.
Dank der Zusammenfassungen fiel es dem Klienten relativ leicht, Klarheit über die Gefühle einer den jeweiligen Sätzen zu erlangen:
Nachdem jetzt also Klarheit über den Kern seiner Gedanken über sich selbst (in Form von Glaubenssätzen) und seiner inneren Zustände bestand, ging es für meinen Klienten jetzt um eine positive Veränderung.
Im ersten Schritt war es seine Aufgabe, zu den zusammengefassten negativen Glaubenssätzen einen entsprechenden Gegen-Satz zu finden.
Natürlich repräsentieren auch die neuen Sätze die Art und Weise, wie man über sich selbst denkt, beziehungsweise: zukünftig denken möchte. Und im Gegensatz zu „Resignation“, „Trotz“ und „Selbstzweifel“ handelt es sich um stärkende und Halt gebende Ressourcen, die hier wirken.
Ich halte es für wichtig, dass der Klient auch diese benennt, da er sich so darüber bewusst wird, dass auch diese Ressourcen in ihm vorhanden sind.
Mein Klient ordnete den neuen Sätzen folgende Ressourcen zu:
Ob Sie wollen oder nicht: negative Glaubenssätze und Überzeugungen, die uns heute das Leben mitunter schwer machen, haben uns einmal gedient und einen Zweck erfüllt. Manche nur punktuell, die meisten über einen langen Zeitraum hinweg.
Die meisten Glaubenssätze, die mir in meinen Sitzungen begegnen, dienten entweder der Sicherheit oder der Zugehörigkeit.
Jedes Kind braucht das Gefühl von Sicherheit, um möglichst gesund und stabil aufwachsen zu können. Also versuchen Kinder, eine gewisse Ordnung in die komplexe Welt zu bekommen. Das kann zum Beispiel über Generalisierungen passieren (alle, nie, immer), woraus sich dann schnell starre Gedankenmuster und negative Glaubenssätze entwickeln können.
Neben Sicherheit ist das Gefühl sozialer Zugehörigkeit für Kinder elementar.
Kinder benötigen den Zuspruch, die Liebe und die Aufmerksamkeit der Eltern, um sich zugehörig und geborgen zu fühlen. Entsprechend tun Kinder viel dafür, um die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen.
Dabei muss es sich nicht nur um positive Aufmerksamkeit handeln, auch ein genervtes „Sei nicht immer so zickig!“ ist ein Form von Aufmerksamkeit. Und bevor ein Kind gar keine Aufmerksamkeit bekommt oder sich nicht gesehen fühlt, nimmt es lieber die negative Aufmerksamkeit in Kauf.
Eine weitere Form der Zugehörigkeits-Glaubenssätze sind Sätze, die eine gewisse „Sippenhaft“ ausdrücken:
Viele Sätze haben uns also früher gedient, mit zunehmender Loslösung vom Elternhaus und dem eigenen Erwachsenwerden verkehrt sich deren Wirkung jedoch häufig ins Gegenteil.
Wenn Sie also jetzt an dem Punkt sind, dass Sie herausgefunden haben, dass Ihnen ein Glaubenssatz Probleme bereitet und Sie nicht nur wissen, wie er lautet, sondern auch schon den Satz entwickelt haben, der ihn zukünftig ersetzen soll, dann wird es Zeit, sich von dem alten Satz zu verabschieden:
Sie können ihn betrachten und Revue passieren lassen, in welchen Situationen es in der Vergangenheit gut war, diesen Satz im Repertoire zu haben.
Fragen Sie sich, was gewesen wäre, hätte Ihnen dieser Satz nicht zur Verfügung gestanden.
Dann danken Sie ihm dafür, dass er Ihnen so lange unterstützend zur Seite stand, und legen Sie ihn ins Archiv. In meiner Praxis benutze ich in der Regel Briefumschläge dafür, es eignen sich aber auch Schubladen oder Kästchen.
Es ist für unser System vorerst gut, zu wissen, dass alles noch da ist, dass die Möglichkeit besteht, im Notfall doch wieder auf diese Sätze zurückgreifen zu können.
Nach ein paar Monaten können wir diese alten Glaubenssätze dann tatsächlich vernichten, weil das veränderte System dann stabil läuft.
Allerdings denken wir dann auch nicht mehr daran, dass wir dieses Archiv noch haben. Das ist dann zumeist ein Zufallsfund beim Aufräumen.
Jetzt sind sie also da, die neuen und stärkenden Glaubenssätze, die ab sofort unser Leben bestimmen sollen. Doch wie wollen Sie mit ihnen umgehen? Noch sind sie ein gutes Stück weit fremd, noch nicht verinnerlicht. Das wird auch noch ein paar Wochen so bleiben. Sie können aber den Samen dafür setzen, dass diese neuen Sätze in Ihnen wachsen und sich festsetzen können. Wichtig ist dabei, ein Gefühl zu den neuen Leitsätzen aufzubauen.
Das können Sie beispielsweise so machen, dass sie sich die neuen Sätze anschauen und damit eine gedankliche Reise in die Zukunft machen:
Das sind ein paar Beispiele für Fragen, die Sie sich stellen können, um das positive Gefühl, das mit den neuen Sätzen einhergeht, zu wecken und zu spüren. Lassen Sie die positiven Bilder in Ihrem Kopf dabei so groß, hell und bunt werden, dass das neue positive Gefühl so stark wie nur möglich wird.
Jetzt haben Sie das Samenkorn gesetzt.
Damit der Keimling in Ihnen gut und stabil wachsen kann, ist es nötig, dieses positive Gefühl immer wieder anzutriggern. Solange, bis Ihr System das Gefühl und damit auch die neuen Glaubenssätze integriert hat.
Ich empfehle, sich die neuen Glaubenssätze auf ein Blatt Papier zu schreiben und es so zu gestalten, dass Sie es gerne ansehen. Vielleicht schreiben Sie die Sätze einfach in verschiedenen Farben auf, vielleicht verzieren Sie das Blatt. Hauptsache, Sie empfinden es als ansprechend.
Dann hängen Sie das Blatt an einem Ort in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Haus auf, wo Sie es möglichst häufig sehen und lassen Sie es dort hängen, bis Sie merken, dass Sie die Sätze und das zugehörige Gefühl wirklich verinnerlicht haben. Möglicherweise bemerken Sie zu dem Zeitpunkt auch schon eine erste Veränderung in Ihrem Leben.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit Ihren neuen und kräftigenden Glaubenssätzen!