Geld (Teil 2) – die Wunde heilen

Veröffentlicht am: 09.06.2025 von Jan Göritz

Geld zeigt nicht nur den Charakter. Es zeigt auch die Wunde. So endete Teil 1, den Sie hier lesen können.

Und genau da kann die eigentliche Bewegung beginnen: raus aus alten Mustern, aus unbewusster Selbstsabotage und falsch verstandener Loyalität zu Familienmitgliedern oder Freunden. Stattdessen können Sie die Entscheidung treffen, dass Sie es verdient haben, sich innerlich frei zu fühlen und Geld kein emotional aufgeladenes Schmerz-Thema mehr sein muss.

Geld ist selten das wahre Problem

In meiner Praxis taucht das Thema natürlich immer wieder mal auf – direkt oder indirekt.

Mal geht es um Schulden. Mal um Schwierigkeiten in der Selbstständigkeit. Manchmal um Druck von außen oder Abhängigkeiten in Beziehungen, wozu natürlich auch Themen mit den eigenen Eltern zählen. Es scheint, als würde Geld – wenn es akut zum Thema wird – Dinge sichtbar machen können, die sonst lieber im Verborgenen gehalten werden: vererbte Ängste, alte Sätze. Und eine ganz zentrale Frage:

Bin ich es wert, emotional und materiell gut für mich zu sorgen?

Solange diese Frage nicht mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden kann, bleibt Geld emotional aufgeladen.

Entweder wird das Thema vermieden, überkompensiert oder zum Machtmittel gemacht.

Vermeidung:
Es werden keine Rechnungen geöffnet und der Kontostand ist unbekannt. Die betroffene Person versucht, das Thema komplett zu verdrängen: „Ich möchte mich nicht damit belasten.“

Überkompensation:
Aus einem früheren Gefühl von Mangel und Ohnmacht ist eine Form der Kontrolle gewachsen, die sich beispielsweise in extremer Sparsamkeit, aber auch durch Statussymbole äußern kann: „Ich brauche mindestens x Euro auf dem Konto, sonst werde ich unruhig.“

Macht:
Aus der Erfahrung, dass Geld mit Liebe, Anerkennung oder Einfluss verknüpft ist, ist Geld zu einem Mittel der Kontrolle über andere geworden: „Ohne mich hättest du das niemals geschafft.“

Der Anfang liegt in der eigenen Geschichte

Heilung beginnt mit Ehrlichkeit.

Wenn wir anerkennen, dass unser heutiger Umgang mit Geld oft eine Fortsetzung alter Erfahrungen ist, dann können wir doch eigentlich aufhören, uns dafür zu verurteilen.

Ein paar Sätze, die ich in unterschiedlichen Variationen in meiner Praxis immer wieder höre:

  • „Bei uns war Geld früher immer knapp. Und obwohl ich heute gut verdiene, traue ich mich nicht, mir mal etwas zu gönnen.“
  • „Meine Eltern haben sich ständig über Geld gestritten, ich will heute einfach nur meine Ruhe.“
  • „Ich wurde finanziell klein gehalten und jetzt will ich’s allen zeigen.“
  • „Geld bedeutete Zugehörigkeit.“

Diese inneren Botschaften eint eins: Sie sind total veraltet. Sich heute noch nach Ihnen zu richten, ist genauso sinnvoll, wie sein Investment an den Börsenkursen der 1990er Jahre auszurichten.

Die gute Nachricht ist: Diese Sätze sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn wir erkennen, welche Glaubenssätze unser Verhalten beeinflussen, dann können wir sie auch verändern.

Die Wunden versorgen

Wenn Sie eine körperliche Verletzung haben, werden sie diese in der Regel nicht ignorieren. Weder die Platzwunde am Kopf noch das gebrochene Bein.

Mit seelischen Wunden sind wir in der Regel etwas großzügiger und agieren nach dem Motto „Seh‘ ich nicht, gibt es nicht.“
Die Wahrheit ist: Wir sehen die seelischen Wunden nicht so deutlich wie eine blutende Platzwunde. Aber wir können sie indirekt sehen – wenn wir möchten. Wenn uns jede Ausgabe den Angstschweiß auf die Stirn treibt, obwohl wir in einem abbezahlten Eigenheim leben und der Kontostand nach dem Abbuchen der Stromrechnung immer noch sechsstellig ist, dann könnten wir hier eine Wunde sehen. Aber wir müssen sie sehen wollen.

Ein einfacher, aber oft sehr wirkungsvoller Einstieg, um seelische Wunden sichtbar zu machen, ist die folgende Übung:

Übung: Geld ist für mich …

Nehmen Sie sich 15 Minuten ungestört Zeit und bewaffnen Sie sich mit einem Stift und einem Blatt Papier.

Schreiben Sie den Satzanfang: „Geld ist für mich …“ oben auf das Blatt und dann vervollständigen Sie diesen Satz 20 Mal untereinander.

Schreiben Sie einfach drauflos: schnell, unzensiert und ehrlich.

Lesen Sie sich hinterher Ihre Worte noch einmal durch und stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Welche Gefühle tauchen dabei auf?
  • Woher kenne ich diese Sichtweise?
  • Möchte ich das heute noch genauso sehen?

Oft wird dabei spürbar, wie sehr das Thema „Geld“ mit unseren Beziehungserfahrungen verwoben ist und wie alte und eben auch veraltete Ideen unser heutiges Verhalten beeinflussen.

Vom verletzten Kind zur inneren Führung

Viele Menschen steuern ihr Geldverhalten aus einer kindlichen und entsprechend oft verletzten Haltung: Angst, Trotz und der Wunsch, endlich mal gesehen zu werden, spielen hier wohl die Hauptrollen

Doch gesunde finanzielle Entscheidungen können niemals aus kindlichen Motiven heraus getroffen werden. Dafür brauchen wir eine andere innere Aufstellung: sachlich, klar und rational, dabei aber mit dem Herz am rechten Fleck. Vielleicht lässt sich der entscheidungs- und handlungsfähige Erwachsene so beschreiben.

Es ist besser, einen Tag im Monat über sein Geld nachzudenken, als einen ganzen Monat dafür zu arbeiten. (John D. Rockefeller)

Dieser Satz repräsentiert in meinen Augen den Unterschied zwischen einem kindlichen und einem erwachsenen Umgang mit Finanzen sehr gut.

Doch wie können wir die Wunden heilen lassen und ein reflektiertes und erwachsenes Verhalten in Bezug auf Finanzen entwickeln? Und natürlich ist klar, dass eine Entwicklung immer ganzheitlich stattfindet, nicht nur in Teilbereichen. Aber man kann auch die gesamte Entwicklung vorantreiben, indem man erst einmal einen Teil des Lebens gezielt verändert.

Manchmal hilft es schon, sich bestimmter Dinge bewusst zu werden. Beispielsweise: „Ich bin nicht mehr das Kind von damals. Ich darf heute anders entscheiden.“

Allein durch diesen Satz werden die Karten komplett neu gemischt: „Ich darf anders entscheiden“. Damit ist alles wieder offen. Überlassen wir also nicht mehr dem inneren Kind die Kontrolle über unsere Finanzen,- es reicht, es wahrzunehmen, zu hören, dann aber als Erwachsener die Entscheidungen zu treffen.

Heilung zeigt sich nicht am Kontostand, sondern an der inneren Haltung

Nicht jeder Mensch, der sich mit seiner Geldbiografie auseinandersetzt, wird dadurch automatisch reich. Muss er auch nicht. Ich denke aber, dass jeder Mensch, der anfängt, sich mit seiner Historie zu beschäftigen, die Weichen in Richtung Wohlstand zu stellen beginnt.

Aber Heilung erkennt man zweifelsohne daran, wie jemand mit Geld umgeht:

  • Sind Sie ehrlich mit sich selbst – auch, wenn die Wahrheit unangenehm ist?
  • Passen die von Ihnen getroffenen Entscheidungen auch wirklich zu Ihnen?
  • Besitzen Sie Dinge, weil Sie sie mögen oder weil diese Dinge Sie definieren?

Ein ehemaliger Klient sagte einmal: „Früher habe ich mich so behandelt, wie meine Eltern mich als Kind behandelt haben: Ich habe mir nichts gegönnt, habe nur das Nötigste gekauft und das auch noch möglichst billig. Mittlerweile habe ich erkannt, dass das Verhalten meiner Eltern nichts mit Liebe zu tun hatte, sondern mit Angst – mit ihrer Angst. Und ich habe mich entschieden, diese Angst nicht mehr weiterzutragen.“

Was hilft auf dem Weg?

1. Regelmäßige Routinen statt Panikreaktionen

Planen Sie feste Zeiten, um sich um Ihre Finanzen zu kümmern – nicht erst, wenn der Druck steigt.

2. Emotionale Auslöser erkennen

Beobachten Sie sich: Was passiert innerlich, wenn Sie Geld ausgeben, darum bitten oder eine Bitte von anderen ablehnen?

3. Grenzen setzen – auch gegenüber der Herkunftsfamilie

Wenn finanzielle Hilfe an Erwartungen geknüpft ist, ist ein „Nein“ ein Akt der Selbstachtung.

4. Eigene Maßstäbe entwickeln

Nicht Instagram, nicht die Familie – Sie entscheiden, was für Sie wertvoll ist.

Fragen Sie sich zukünftig: „Was gefällt mir wirklich?“

Weiterführende Informationen

https://youtu.be/zfTcbgc3PQ0?si=qyfNObetSfJ7TQLA

FAQ

Warum tut Geld überhaupt weh – es ist doch nur ein Zahlungsmittel?

Geld ist rational gesehen neutral – aber emotional oft aufgeladen. In vielen Biografien wurde Geld mit Liebe, Kontrolle, Zugehörigkeit oder Macht verknüpft. Wer als Kind etwa erlebt hat, dass finanzielle Abhängigkeit gleichbedeutend mit Nähe war, empfindet Geld auch im Erwachsenenalter nicht neutral – sondern als emotionale Botschaft. Schmerz entsteht dann, wenn alte Wunden unbewusst aktiviert werden.

Ich weiß, dass mein Umgang mit Geld problematisch ist – aber wie verändere ich das nachhaltig?

Erkennen ist der erste Schritt – aber Veränderung braucht Zeit, Geduld und oft therapeutische Unterstützung. Wichtig ist, dass Sie nicht nur an den „Symptomen“ (z. B. Schulden, Angst vor Kontostand) arbeiten, sondern die emotionalen Wurzeln anschauen: Woher kommt mein Muster? Wer hat es geprägt? Und was würde ich tun, wenn ich mich frei fühlen würde? Erst durch diesen emotionalen Prozess wird echte Veränderung möglich.

Kann ich meine Geldgeschichte auch ohne Therapie aufarbeiten?

Grundsätzlich ja – vor allem durch bewusste Selbstreflexion, Journaling, Bücher und ehrliche Gespräche. Gute Einstiege sind Fragen wie:

• Was bedeutet Geld für mich?

• Was durfte Geld in meiner Familie sein – und was nicht?

• Wann war Geld für mich schmerzhaft?

Dennoch kann professionelle Begleitung sinnvoll sein – gerade, wenn Schuld, Scham oder Angst tief sitzen oder familiäre Verstrickungen bestehen.

Wie erkenne ich, ob ich emotional von Geld abhängig bin?

Wenn Geld Ihr emotionales Klima bestimmt – z. B. Sie fühlen sich nur sicher, wenn der Kontostand hoch ist oder werden nervös, wenn Sie ausgeben – ist das ein Hinweis. Auch, wenn Sie finanzielle Unterstützung nur schwer ablehnen können oder ständig das Gefühl haben, „nicht genug zu verdienen“, obwohl es objektiv reicht, lohnt ein genauerer Blick. Emotionale Unabhängigkeit heißt: Ich fühle mich wertvoll – unabhängig vom Geldfluss.

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