Humor lernen und trainieren (Teil 2)
Veröffentlicht am: 25.08.2025 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 25.08.2025 von Jan Göritz
Vielleicht denken Sie jetzt: „Alles schön und gut, aber ich hab halt keinen Humor.“
Das mag sein, auch wenn ich das ehrlich gesagt nicht glaube. Nach meiner Erfahrung hat jeder Mensch Humor, nur ist er bei manchen eingerostet wie die Kette eines alten Fahrrads.
Lasern Sie die Welt und dann weg mit der Brille. (Deichkind)
Ein guter erster Trainingsschritt ist, sich selbst und alle „wichtigen Projekte“ nicht allzu ernst zu nehmen. Stellen Sie sich dazu eine simple Frage: „Passiert hier gerade etwas, bei dem im schlimmsten Fall Menschen sterben?“ Falls die Antwort „Nein“ lautet – und das ist in den meisten Fällen so – können Sie ruhigen Gewissens beginnen, Verbissenheit Stück für Stück gegen Leichtigkeit einzutauschen.
Eine der wirksamsten Ressourcen ist die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Das hat nichts damit zu tun, sich selbst nicht ernst zu nehmen. Aber es bewahrt uns davor, uns selbst ZU ernst zu nehmen.
Wer über die eigenen Pannen lachen kann, beweist Souveränität und entschärft die Situation. Ob das verlegte Schlüsselbund oder die umgekippte Kaffeetasse – wirklich alles kann Übungsmaterial sein.
Machen Sie sich bewusst, dass sie auch das Gestresstsein gelernt haben, meistens durch Abgucken. Insofern ist es auch möglich, einen anderen Umgang mit den Pannen des Alltags zu finden.
Auch hilfreich ist es, Humor zu sammeln. Machen Sie es zu einer kleinen aber täglichen Aufgabe, mindestens eine Situation zu finden, die Sie zum Schmunzeln bringt. Das kann ein lustiger Aufkleber sein, ein Kind, das sehr ernst mit einer Schnecke diskutiert, oder der Kollege, der seinen Bildschirm anbrüllt, als könnte er ihn damit zum Leben erwecken.
Das schult Ihren Blick für humorvolle Situationen und verändert Ihren Blick auf die Welt ins Positive
Musik kann ebenfalls ein Türöffner sein. Wenn jemand, der Probleme hat, weil ihn die dominante Mutter von klein auf mit destruktiven Glaubenssätzen versorgt hat, erkennt, dass der Song „Ja ja… deine Mudder“ von Fünf Sterne Deluxe sich wunderbar dafür eignet, sich darüber lustig zu machen, ist viel gewonnen.
Auch paradoxe Interventionen können überraschend befreiend wirken. Ein Klient, der seine Wut jahrelang unterdrückt hatte und sich als sehr gehemmt beschrieb, erzählte mir in einer der ersten Sitzungen von seinen Hobbys. „Kochen“, antwortete er unter anderem. „Vor Wut?“, warf ich spontan ein. Das unerwartete Wortspiel brachte ihn zum Lachen – und öffnete gleichzeitig die Tür zu seinem lange verdrängten Ärger. Plötzlich war es möglich, über seine unterdrückte Aggression zu sprechen, weil der Humor die Schwere genommen hatte.
Verstand und Genie rufen Achtung und Hochschätzung hervor, Witz und Humor erwecken Liebe und Zuneigung. (David Hume)
Ein anderes Beispiel: Eine Klientin klagte ständig darüber, dass sie „viel zu nett“ sei und deshalb immer ausgenutzt werde. Nach mehreren Sitzungen voller Selbstvorwürfe sagte ich zu ihr: „Wissen Sie was? Ich glaube, wir sollten dringend an Ihrer Gemeinheit arbeiten. Haben Sie schon mal überlegt, einen Kurs in Bosheit zu belegen?“ Sie schaute mich perplex an, dann begann sie zu kichern. „Einen Kurs in Bosheit?“ „Ja“, fuhr ich fort, „vielleicht ‚Gemeinheit für Anfänger‘ oder ‚Wie werde ich richtig fies?'“ Das Lachen befreite sie aus ihrer Opferrolle und ermöglichte es, über gesunde Grenzen zu sprechen, ohne dass es sich nach einer weiteren Unmöglichkeit anhörte.
Solche paradoxen Wendungen können festgefahrene Denkmuster aufbrechen. Sie überraschen das System und schaffen neue Verbindungen zwischen ernsten Themen und Leichtigkeit. Der Humor wird dabei zum Brückenbauer zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte.
Gönnen Sie sich außerdem bewusst Zeit für das, was Sie zum Lachen bringt. Ob Comedy-Serien, lustige Podcasts, Kabarett oder einfach Gespräche mit Menschen, die Sie zum Schmunzeln bringen – investieren Sie in diese kleinen Inseln der Heiterkeit. Sie sind nicht „nur“ Unterhaltung, sondern wichtige Nahrung für die Seele.
Nun könnte der Einwand kommen, dass Humor bei wirklich ernsten Problemen fehl am Platz sei.
Das stimmt und stimmt gleichzeitig auch nicht. Natürlich gibt es Situationen, in denen er unpassend oder sogar verletzend wäre. Trauer, Schmerz und echte Krisen verdienen Respekt und Mitgefühl. Da sind Aufheiterungsversuche tatsächlich nicht das Richtige.
Nur Dummköpfe und Fanatiker haben überhaupt keinen Humor. (Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord)
Aber selbst in den dunkelsten Momenten kann ein kleiner Funken Humor wie ein Lichtstrahl wirken.
Mit ihm wird vieles erträglicher und leichter, auch ohne den Ist-Zustand zu leugnen.
Selbst schwerkranke Menschen erleben durch Lachen kleine leichte Momente.
Humor gibt uns die Kraft weiterzumachen, wenn alles schwer erscheint. Er schenkt uns Leichtigkeit und sorgt dafür, dass unsere Seele durchatmen kann.
Es gibt Dinge, die so ernst sind, dass man darüber nur scherzen kann. (Niels Bohr)
Humor ist also kein nettes Extra, das man bei Gelegenheit mal auspackt. Er ist ein ziemlich wichtiges Werkzeug für die seelische Gesundheit und die eigene Resilienz. Humor ist eine Haltung, die uns hilft, mit all dem Chaos, den Brüchen und dem ganz normalen Wahnsinn des Lebens so umzugehen, dass wir dabei nicht verkrampfen.
Charles Dickens hat es schön auf den Punkt gebracht: Humor nimmt die Welt, wie sie ist. Er versucht nicht, alles schönzureden, sondern schafft Abstand. Und genau das macht vieles erträglicher.
Egal ob in großen Krisen oder in den kleinen Umwägbarkeiten des Alltags: Humor wirkt wie ein Gegengewicht zu Angst, Verbissenheit und Gereiztheit. Er verbindet und entspannt und öffnet dadurch neue Blickwinkel und Perspektiven. Und das Beste daran ist, dass Humor sich trainieren lässt. Wer regelmäßig kleine Gelegenheiten zum Schmunzeln und Lachen sucht, hält sich seelisch fit.
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Mehr InformationenJa. Humor ist weniger eine Begabung als eine Haltung. Schon kleine Übungen wie Selbstironie oder das Sammeln von Alltagskomik können langfristig den Blick für humorvolle Momente schärfen.
Nein – solange es respektvoll geschieht. Humor ersetzt nicht Trauer oder Ernsthaftigkeit, er bietet aber in schwierigen Phasen kleine Atempausen, die uns helfen, weiterzugehen.
Absolut. Humor ist ein Brückenbauer zwischen ernsten Emotionen und innerer Leichtigkeit. Er lockert den Druck und macht es leichter, über Themen wie Angst, Wut oder Überforderung zu sprechen.
Stellen Sie sich bei der nächsten kleinen Panne die Frage: „Wäre das in einem Jahr noch wichtig?“ – und versuchen Sie, in Gedanken eine absurde Pointe daraus zu machen. So verwandeln Sie Stress in einen Lerneffekt.