Es ist nur zu deinem Besten
Veröffentlicht am: 03.06.2024 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 03.06.2024 von Jan Göritz
„Ich will doch nur dein Bestes.“ sagte der Dieb und klaute ihm das Portemonnaie. So oder so ähnlich ging ein Witz in meiner Kindheit.
Und tatsächlich begegnete mir das Motiv „es ist nur zu deinem Besten“ neulich erneut. Diesmal in einem Hörbuch, wo folgende Situation geschildert wurde:
Im Herzen der kleinen Stadt lag ein beliebter Park, ein weitläufiges Areal mit schattigen Bäumen, bunten Blumenbeeten und gepflegten Wegen. Für viele Jahre war dieser Park ein Treffpunkt für Skater, die die breiten Asphaltwege und robusten Kanten nutzten, um ihre Tricks und Kunststücke zu perfektionieren. Besonders die Blumenkübel und Bänke waren beliebte Trainingsobjekte.
Gleichzeitig zogen die Skater aber auch andere Besucher an. Hier gab es eben was zu sehen.
Doch der Stadtverwaltung waren die Skater ein Dorn im Auge. Schließlich war der Park zum zivilisierten Flanieren gedacht und nicht dafür „abzuhängen“ und Spaß zu haben.
Und so beschloß die Verwaltung eine Neugestaltung des Parks und zwar unter der Prämisse, den Park für die Skater sicherer zu gestalten. „Es ist zu eurem Besten“ wurde Ihnen versprochen.
Und so wurden neue Blumenkübel aus poliertem Beton angeschafft, elegante Holzbänke aufgestellt und dekorative Pflastersteine statt des Asphalts verlegt.
Und auf den Kanten der Blumenkübel waren hässliche Metalldorne angebracht worden, die jede Möglichkeit zum Sliden unmöglich machten. Statt sanfter Kanten ragten nun spitze, unüberwindbare Hindernisse hervor. Auch die neuen Bänke hatten eine unerfreuliche Überraschung parat: Sie waren mit schrägen Metallleisten versehen, die verhinderten, dass sie als Rampe oder Grindfläche genutzt werden konnten. Die Lehnen waren so gestaltet, dass sie keine durchgängige Fläche mehr boten, sondern in unregelmäßigen Abständen unterbrochen waren, was das Sliden unmöglich machte.
Dafür gab es nun einen offiziellen Skate-Platz. Doch dieser war dermaßen auf Sicherheit getrimmt, dass er für die Skater zu langweilig war,- die suchten sich einen neuen Platz.
Aber nicht nur die Skater blieben nun weg. Auch die anderen Besucher kehrten dem Park den Rücken. „Zu steril“, „es fehlt die Lebendigkeit“ und „die neuen Bänke sind so ungemütlich, auf denen kann ja niemand sitzen“ – so klang es, als die Bevölkerung zu der Neugestaltung befragt wurde.
Und so wurde etwas, dass eigentlich zum Besten aller hätte sein sollen, zum Flop.
Möglicherweise sagen Sie jetzt: „Ich skate ja nicht. Also, was soll’s?“
Aber in unserem Leben begegnen wir oft Situationen, in denen uns Entscheidungen und Vorschläge als „zu unserem Besten“ verkauft werden. Doch bei näherer Betrachtung scheint es mir manchmal, als ob der Nutzen dieser Ratschläge oder Handlungen eher bei der anderen Partei liegt. Ich habe mir zwei Beispiele aus den Bereichen Erziehung und persönliche Beziehungen überlegt und mir Gedanken dazu gemacht, wie man solche Situationen erkennt und wie man es schaffen kann, sich nicht ausnutzen zu lassen.
Bei näherer Betrachtung scheint es manchmal, als ob der Nutzen von „es ist nur zu deinem Besten“ eher bei der anderen Partei liegt.
In der Erziehung kann das Motiv „zu deinem Besten“ oft dazu führen, dass Eltern ihren Kindern einen übermäßigen Leistungsdruck auferlegen. Sie argumentieren, dass gute Noten und eine starke akademische Leistung notwendig sind, um im Leben erfolgreich zu sein. Dies kann jedoch zu Angst und Stress bei den Kindern führen, während die Eltern vielleicht unbewusst ihre eigenen Ambitionen oder unerfüllten Träume durch ihre Kinder ausleben.
Merkmale:
Abwehrstrategien:
In persönlichen Beziehungen kann „zu deinem Besten“ eine manipulative Taktik sein, besonders in ungesunden Partnerschaften. Ein Partner mag Entscheidungen treffen, die angeblich dem anderen Partner zugutekommen, in Wirklichkeit aber dazu dienen, Kontrolle auszuüben oder eigene Bedürfnisse durchzusetzen.
Merkmale:
Abwehrstrategien:
Die Phrase „zu deinem Besten“ kann eine hilfreiche Richtlinie sein, wenn sie ehrlich gemeint ist und wirklich dem Wohl der betroffenen Person dient. Es ist jedoch wichtig, wachsam zu sein und die Motive hinter solchen Aussagen kritisch zu hinterfragen. Durch die Entwicklung von kritischem Denken und Selbstbewusstsein können wir besser erkennen, wann wir tatsächlich unterstützt werden und wann es mehr um die Interessen anderer geht. So schützen wir uns vor Manipulation und treffen Entscheidungen, die wirklich zu unserem Besten sind.