Keine Angst vor Einsamkeit

Veröffentlicht am: 23.11.2025 von Jan Göritz

Reinhard Mey hat vor einigen Jahren einen Song zum Thema Einsamkeit geschrieben, der mir zufällig begegnete, während ich diesen Artikel schrieb und ich möchte diesen Artikel mit diesem Text beginnen:

 

Songtext „Allein“

(Reinhard Mey)

 

Er drang mir in die Seele, weiß Gott, wie er mich traf,
Der Spott der guten Kinder, ich war das schwarze Schaf.
Im Pausenhof, die Tränen niederkämpfend, stand ich stumm,
Der Inhalt meines Ranzens lag verstreut um mich herum.
Wie wünscht‘ ich mir beim Aufsammeln eine helfende Hand,
Ein Lächeln, einen Trost, und da war keiner, der sich fand.
Ich hatte keinen Freund und schlechte Noten, ist ja wahr,
Und unmoderne Kleider und widerspenst’ges Haar.

Allein,
Wir sind allein,
Wir kommen und wir gehen ganz allein.
Wir mögen noch so sehr geliebt, von Zuneigung umgeben sein:
Die Kreuzwege des Lebens geh’n wir immer ganz allein.
Allein,
Wir sind allein,
Wir kommen und wir gehen ganz allein.

Wir war’n uns alle einig in dem großen Saal,
Wir hatten große Pläne und ein großes Ideal.
Ich war der Frechste und der Lauteste und hatte Schneid,
Ich wußte: unsre Stärke war unsre Geschlossenheit.
Doch mancher, der von großer, gemeinsamer Sache sprach,
Ging dabei doch nur seiner kleinen eig’nen Sache nach.
Und als sich ein Held nach dem andern auf die Seite schlich,
Stand einer nur im Regen, und der eine, der war ich.

Allein…

Und noch ein Glas Champagner, und sie drückten mir die Hand,
Und alle waren freundlich zu mir, alle war’n charmant.
Und mancher hat mir auf die Schulter geklopft, doch mir scheint,
Es hat wohl mancher eher sich, als mich damit gemeint.
Die Worte wurden lauter, und sie gaben keinen Sinn,
Das Gedränge immer enger, und ich stand mittendrin
Und fühlte mich gefangen, wie ein Insekt im Sand:
Je mehr es krabbelt, desto weiter rückt der Kraterrand.

Allein…

Nun, ein Teil meines Lebens liegt hinter mir im Licht,
Von Liebe überflutet, gesäumt von Zuversicht.
In Höhen und in Tiefen, auf manchem verschlung’nen Pfad
Fand ich gute Gefährten und fand ich guten Rat.
Doch je teurer der Gefährte, desto bitterer der Schluß,
Daß ich den letzten Schritt des Wegs allein gehen muß.
Wie sehr wir uns auch aneinander klammern, uns bleibt nur
Die gleiche leere Bank auf einem kalten, leeren Flur.

Allein…

Alleinsein und Einsamkeit

Natürlich geht es auch in meinen Sitzungen immer wieder um den Wunsch nach Verbundenheit, darum, dass sich Menschen nicht vollends verstanden fühlen, kurz gesagt: um das Gefühl des Alleinseins beziehungsweise die Angst davor.

In einer dieser Sitzungen schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Leben möglicherweise viel mehr mit Alleinsein als mit Verbundenheit zu tun hat und es im Leben vielleicht auch als zentraler Punkt darum geht, das Alleinsein zu akzeptieren und zu lernen.

Das soll nicht bedeuten, dass wir alle als vereinzelte Wesen durch unsere Leben gehen sollen, aber ich denke, dass im Alleinsein sehr viel Potenzial steckt, das wir nutzen können.

Aber zurück in die Praxis: Ich sprach meine oben erwähnten Gedanken aus und bei meinem Gegenüber stellte sich eine Ruhe ein. Keine Traurigkeit, kein Entsetzen, keine Tränen und auch kein Widerspruch.

„Ja, das hab’ ich auch schon mal gedacht“, sagte die Person mir gegenüber und weiter: „Aber das ist weit entfernt von Romantik und allem, was die Gesellschaft sagt.“

Um die Einsamkeit ist’s eine schöne Sache, wenn man mit sich selbst in Frieden lebt und was Bestimmtes zu tun hat. Johann Wolfgang von Goethe)

Nun ist Vereinsamung ja ein Thema, das medial nicht gut wegkommt. Man liest immer wieder, dass Menschen unter ihr leiden. Und das glaube ich auch. Da geht es jedoch um lang anhaltende Zustände, nicht um Momente oder Phasen.
Aber in diesem Moment bei mir in der Praxis war da keine Gefahr. Da war lediglich die Beruhigung darüber, mit seinem Gefühl und seinen Gedanken nicht abgelehnt zu werden.

Aber dieser Moment setzte bei mir weiterführende Gedanken in Gang:

Wo sind wir alleine?

  • Geburt
  • Tod
  • Trauer
  • Selbst Erfolg kann einsam sein.

Es kämpft jeder seine Schlacht allein. (Friedrich Schiller)

Auch in den hellen Momenten des Lebens fühlen wir uns manchmal alleine mit dem, was in uns vorgeht. Fühlen, was wir fühlen, kann eben nur ein Mensch: Wir selbst. Da kann ein ganzer Raum voller Menschen sein, und trotzdem ist da das Gefühl, mit sich allein zu sein.

Ist es schlimm, allein zu sein?

Nein, aber es braucht in der Regel einen guten Kontakt zu sich selbst. Denn wer nie gelernt hat, mit sich allein zu sein, für den kann dieses Gefühl tatsächlich beängstigend wirken. Sie fühlt sich dann an wie Leere oder Mangel, aber in Wirklichkeit ist sie oft jedoch nur ungewohnt.

Ich denke oft an den Satz, den mal ein Klient geäußert hat:

„Mit mir selbst bin ich in bester Gesellschaft.“

Dieser Satz ist ein Bekenntnis zu sich selbst und beinhaltet sogar noch die Erkenntnis, dass man keine anderen Menschen braucht.

Es gibt also keinen triftigen Grund, sich von sich selbst abzulenken oder vor sich selbst zu flüchten, wenn man den Mut hat, sich mit sich selbst und seinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Alleinsein ist kein Drama

Allein zu sein ist kein Drama und kein Fehler, es ist kein Zeichen von sozialem Versagen. Im Gegenteil: Sie ist ein normaler Teil der menschlichen Erfahrung.

Und oft leiden wir genau genommen nicht am Alleinsein selbst, sondern unter unserer Vorstellung, dass wir uns nicht einsam fühlen dürfen. „Wenn ich alleine bin, denke ich, dass ich etwas falsch gemacht habe“, sagte mal ein ehemaliger Klient. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass diese oder ähnliche Gedanken weit verbreitet sind.

Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst, ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist. (Marie von Ebner-Eschenbach)

Aber sie sind nicht wahr. Alleinsein und das Gefühl, einsam zu sein, sind per se keine schlimmen Zustände. Schlimm werden sie erst, wenn wir denken, wir dürften uns nicht alleine oder einsam fühlen.

Dieses Gefühl wird erst dann zur Qual, wenn wir ihm keinen Platz geben.

Ist Verbundenheit nicht häufig eine Illusion?

Nach meiner Beobachtung: teilweise, ja. Wenn ich Bus und Bahn fahre oder durch die Stadt gehe, habe ich den Eindruck, manche Menschen plappern um ihr Leben. So, als hinge es primär darum, bloß keine Stille aufkommen zu lassen. Durch ständiges Beschäftigtsein dafür zu sorgen, dass sich die eigenen Gefühle nicht so leicht bemerkbar machen können.

So, als wäre das Verbindungsseil zum Gegenüber aus Worten geflochten, die möglichst ohne Pause abgefeuert werden müssen. Aber diese Art von Verbindung ist oft eine Flucht vor dem Alleinsein, keine echte Begegnung.

Echte Verbundenheit dagegen entsteht durch Anwesenheit, Empathie und Präsenz. Sie braucht auch Stille und sie verträgt Pausen. Und paradoxerweise entsteht sie häufig gerade dann, wenn beide Menschen es aushalten können, mit sich allein zu sein – auch wenn der andere anwesend ist.

Wenn du Einsamkeit nicht ertragen kannst, dann langweilst du vielleicht auch andere. (Oscar Wilde)

Wir verwechseln manchmal Nähe mit Verschmelzung. Aber echte Verbundenheit bedeutet nicht, die Grenze zwischen dir und mir aufzulösen. Sie bedeutet, zwei getrennte Menschen zu bleiben, die sich gerade deswegen wirklich begegnen können.

Was passiert, wenn wir aufhören, das Alleinsein zu bekämpfen?

Vielleicht entsteht genau dann Raum für Alleinsein als Qualität, wenn wir aufhören, sie zu bekämpfen. Wenn wir erkennen, dass wir alles, was wir brauchen, bereits in uns tragen, dann kann in uns etwas zur Ruhe kommen. Wir selbst sind die Person, nach der wir suchen.

Ein Klient sagte mir neulich:

„Ich glaube, ich suche gar nicht mehr nach jemandem, der mich ganz versteht. Ich will mich nur nicht mehr für das schämen, was in mir ist.“

Und das ist die andere Seite davon, sich selbst zuzuwenden: Wir werden auch mit Dingen und Gefühlen konfrontiert, die wir nicht so gerne fühlen oder für die wir uns vielleicht sogar schämen.

Das macht es nicht einfacher, uns selbst als besten Freund oder beste Freundin zu akzeptieren. Aber wir können den Entschluss fassen, uns zu verzeihen – und üben, unsere Gedanken über uns und die daraus resultierenden Handlungen wohlwollend oder sogar liebevoll zu betrachten.

Und wenn wir doch Verbindung wollen?

Das ist natürlich möglich, aber vermutlich ganz anders, als wir bislang gedacht haben. Denn wenn ich mein Alleinsein nicht mehr bekämpfe, brauche ich auch niemanden mehr, der es mir nimmt. Dann kann ich mit einem Menschen in Kontakt sein, ohne ihn zu vereinnahmen.

Ich muß viel allein sein. Was ich geleistet habe, ist nur ein Erfolg des Alleinseins. (Franz Kafka)

Dann ist eine Beziehung zu anderen Menschen kein Pflaster mehr, sondern wir ermöglichen uns und dem anderen, ein wirkliches und authentisches Gegenüber sein zu können.

Denn wer bei sich ist, ist in der Regel klarer, ehrlicher und vor allem weniger bedürftig. Er ist sich darüber bewusst, was er wirklich braucht und was nicht.

Praktische Gedanken für den Alltag

Alleinsein üben, bevor es sich aufdrängt

Warten Sie nicht darauf, dass sich das Gefühl der Verlassenheit wie ein Einbrecher Zutritt verschafft, sondern nehmen Sie sich bewusst Zeit, in der Sie – ohne Ablenkung durch Netflix oder Handy – das Alleinsein und die Begegnung mit sich selbst üben können.

Nicht jeder Gedanke braucht ein Gegenüber

Üben Sie sich darin, Gedanken erst einmal bei sich zu behalten, auch und gerade wenn sie im ersten Moment emotional fordernd oder sogar überfordernd wirken.

Ein Einsamer ist entweder ein Tier oder ein Engel. (Deutsches Sprichwort)

Fühlen Sie und versuchen Sie, zu verstehen – Sie werden damit klarkommen und jede Erfahrung des Klarkommens wird Sie innerlich stärken.

Fragen Sie sich: Ist das gerade vielleicht einfach nur Stille?

Mögen Sie Stille? Viele Menschen beschreiben Stille als fast unaushaltbar. Dabei ist es nicht die Stille, die das Problem ist, es sind die eigenen Gedanken und Gefühle, die in der Stille lauter erscheinen, als im trubeligen Alltag. Gefühle, die auch unangenehm sein können: Traurigkeit, Kleinheitsgefühle, das Gefühl, ausgeschlossen oder alleine zu sein.

Aber die Stille ist in Wahrheit ein Hinweisgeber darauf, wie es in uns aussieht. Wir merken manchmal nur, dass wir alleine sind und es sich nicht gut anfühlt und sprechen von Verlassenheit.

Wenn Sie beginnen, sich regelmäßig wahrzunehmen, dann werden Sie höchstwahrscheinlich lernen, Stille zu genießen.

Begegnungen bewusst gestalten

Einsam sein macht stark, vereinsamt sein drückt nieder. (Deutsches Sprichwort)

Sie kennen bestimmt das Gefühl, dass der Mensch, mit dem Sie gerade telefonieren, gar nicht wirklich zuhört, sondern nebenbei kocht, liest, fernsieht oder chattet.

Ich frage jetzt nicht, wie sich das dann anfühlt, denn die Antwort liegt auf der Hand: Man fühlt sich nicht gewollt, nicht gesehen beziehungsweise gehört und irgendwie überflüssig.

So fühlen sich andere auch, wenn Sie nicht wirklich präsent sind. Das bedeutet, Sie bestimmen über den Grad Ihrer Präsenz und Aufmerksamkeit die Qualität Ihrer Begegnungen. Nutzen Sie das.

Was macht diese Erkenntnis?

Ein ehemaliger Klient formulierte es mal sinngemäß so:

„Ich bin ruhiger geworden, seit ich diesen Gedanken in mir zugelassen habe, dass Leben zu großen Teilen ein innerer Prozess ist, den ich mit niemandem komplett teilen kann – aber auch nicht muss.

Der Hauptgrund, warum Menschen im Leben versagen, ist, dass sie ihren Freunden, ihrer Familie und ihren Nachbarn zuhören. (Napoleon Hill)

Ich erwarte nicht mehr, dass jemand anders mir meine Einsamkeit nimmt, im Gegenteil: Ich habe sie akzeptiert und mag sie manchmal sogar.“

Weiterführende Informationen

 

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FAQ

Nicht automatisch. Das kommt ganz auf den Umgang damit an.

Einsamkeit an sich ist ein menschliches Grundgefühl – so wie Freude, Angst oder Trauer. Es ist also erst einmal ein inneres Signal, dass etwas in uns nach Aufmerksamkeit verlangt. In der heutigen Zeit neigen wir allerdings dazu, unangenehme Gefühle schnell zu pathologisieren – und genau hier entsteht oft der eigentliche Druck.

Problematisch wird Einsamkeit dann, wenn sie über längere Zeit nicht wahrgenommen oder überdeckt wird. Wenn Menschen anfangen, ihre Empfindungen zu ignorieren, sich immer weiter zurückziehen oder den Kontakt zu sich selbst verlieren. Dann kann sich aus der Einsamkeit ein Zustand entwickeln, der tatsächlich gefährlich wird – zum Beispiel, wenn daraus Isolation, Antriebslosigkeit oder sogar depressive Muster entstehen.

Aber in ihrer ursprünglichen Form ist Einsamkeit nicht das Problem, sondern ein Hinweis. Und je früher wir lernen, diesen Hinweis ernst zu nehmen – ohne Panik, ohne Drama –, desto eher kann daraus sogar etwas Gutes entstehen: Innere Klarheit, die Fähigkeit zur Selbstverbindung, emotionale Reife. Nicht alles, was unangenehm ist, ist falsch.

Das ist eine wichtige Frage – und gar nicht so leicht pauschal zu beantworten. Aber ein gutes Kriterium ist immer das innere Erleben. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie allein sind?

Heilsames Alleinsein fühlt sich – auch wenn es mal schwer ist – letztlich tragfähig an. Es lässt Raum für Gedanken, Wahrnehmung, Selbstreflexion. Manchmal auch Langeweile oder Trauer. Aber man bleibt dabei irgendwie „in sich zu Hause“. Es ist eine Form von Alleinsein, die bewusst gewählt oder zumindest akzeptiert ist. Man kann in diesem Zustand mit sich in Kontakt bleiben, Entscheidungen treffen, sich bewegen – im Inneren oder Äußeren.

Isolation hingegen fühlt sich oft erstarrt an. Nicht still, sondern leer. Nicht ruhig, sondern abgeschnitten. Sie erleben vielleicht, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr richtig spüren, keinen Antrieb haben oder der Eindruck entsteht, dass der Kontakt zur Welt „abgerissen“ ist. Der Unterschied liegt also weniger in der Anzahl der sozialen Kontakte, sondern mehr im emotionalen Zustand, den das Alleinsein auslöst.

Alleinsein kann stärken – Isolation hingegen macht klein. Der Unterschied liegt nicht im Außen, sondern darin, wie sehr Sie sich selbst noch wahrnehmen.

Ja, auf jeden Fall. Das ist sogar ein ganz zentraler Punkt in vielen therapeutischen Prozessen.

Einsamkeit ist kein statischer Zustand, dem man ausgeliefert ist – sondern ein Gefühl, das Sie beobachten, erforschen und gestalten können. So wie man mit Angst oder Trauer umgehen lernen kann, lässt sich auch ein gesünderer Umgang mit Einsamkeit entwickeln. Und das beginnt in der Regel nicht mit „Tipps & Tricks“, sondern mit einer ehrlichen Auseinandersetzung.

Der erste Schritt ist: nicht ausweichen. Das klingt hart, ist aber heilsam. Denn viele Menschen versuchen, Einsamkeit reflexartig zu betäuben – mit Arbeit, Serien, Kontakten, Alkohol, Social Media oder anderen „Füllmaterialien“. Aber das hilft nur kurzfristig. Langfristig führt es oft dazu, dass die Einsamkeit noch lauter wird – oder subtiler, was manchmal noch tückischer ist.

Was hingegen langfristig hilft, ist ein guter Kontakt zu sich selbst. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Tagebuch schreiben, Spaziergänge ohne Musik, Zeit in der Natur, kreative Tätigkeiten, Therapie, Meditation – alles, was den Blick nach innen erlaubt, ohne sofort bewerten zu müssen. Und dann geht es weiter mit der Frage: Was bedeutet diese Einsamkeit eigentlich für mich? Was zeigt sie mir über meine Beziehungen, über meine Lebensgestaltung, über meinen Selbstwert?

Der Umgang mit Einsamkeit ist nicht einfach – aber er ist erlernbar. Und oft führt er zu mehr innerer Unabhängigkeit und tieferer Verbindung zu anderen, als es jede Ablenkung je könnte.

Nein – das ist ein verbreitetes Missverständnis, wenn man über die Akzeptanz von Einsamkeit spricht. Es geht hier nicht um Selbstgenügsamkeit im Sinne von „Ich brauch niemanden, ich komm alleine klar“.

Das ist oft nur eine Schutzreaktion, die man sich antrainiert hat, wenn Verbundenheit schmerzhaft oder enttäuschend war.

Was hier gemeint ist, ist etwas anderes:

Wenn ich meine Einsamkeit akzeptiere, muss ich sie nicht mehr gegen jemanden richten. Ich muss sie nicht wegmachen, kompensieren oder jemandem dafür die Verantwortung geben. Ich kann mit diesem inneren Teil einfach leben – ihn ernst nehmen, aber nicht überdramatisieren.

Und genau in diesem Moment entsteht etwas Überraschendes: Raum für echte Begegnung. Wenn ich mich selbst nicht mehr bekämpfen muss, bin ich freier im Kontakt mit anderen. Dann trete ich dem anderen nicht mehr als Bedürftiger gegenüber, sondern als jemand, der bei sich ist – und trotzdem oder gerade deshalb offen.

Also ja, wir brauchen andere. Wir sind soziale Wesen. Aber: Wir brauchen sie nicht mehr zur Selbstregulation – sondern zur Ergänzung. Das macht Beziehungen leichter, ehrlicher und tragfähiger.


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