Die Theorie der Dummheit nach Bonhoeffer (Teil 1)
Veröffentlicht am: 03.03.2025 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 03.03.2025 von Jan Göritz
Dietrich Bonhoeffer war nicht nur Theologe, sondern auch ein scharfer Beobachter der menschlichen Natur und gesellschaftlicher Zusammenhänge. Seine Theorie der Dummheit ist eine der treffendsten Erklärungen dafür, warum Menschen sich irrational verhalten, warum sie trotz offensichtlicher Widersprüche an Fehlinformationen festhalten und warum sie gefährlicher sein kann als Bosheit.
Diese Erkenntnisse sind heute aktueller denn je. In Zeiten von Fake News, algorithmisch gesteuerter Meinungsbildung und politischer Polarisierung ist Bonhoeffers Analyse ein Werkzeug, um zu verstehen, warum rationale Argumente oft ins Leere laufen und warum manche Menschen sich manipulierbar machen – sei es durch Autoritäten, soziale Gruppen oder ideologische Narrative.
Faulheit ist Dummheit des Körpers, Dummheit ist Faulheit des Geistes. (Johann Gottfried Seume)
Doch was genau versteht Bonhoeffer unter Dummheit? Und welche Schlüsse können wir daraus für unser eigenes Denken und Handeln ziehen?
Bonhoeffer beschreibt sie als einen gefährlicheren Feind des Guten, als es Bosheit je sein könnte. Während Bosheit aktiv schadet und daher meist bekämpft werden kann, ist Dummheit trügerischer: Dumme Menschen erkennen meist nicht, dass sie dumm sind und sind daher unzugänglich für rationale Argumente.
Ein dummer Mensch handelt ja nicht zwangsläufig aus schlechter Absicht – im Gegenteil: oft glaubt er sogar, das Richtige zu tun. Doch genau das macht ihn gefährlich: Wer nicht reflektiert, bleibt manipulierbar. Und wer nicht nach Wahrheit sucht, lässt sich nur zu leicht von einfachen Parolen leiten.
Für Bonhoeffer hat Dummheit übrigens nichts mit unserem Intellekt zu tun, sondern eher mit Denkfaulheit und Gruppenzwang. In totalitären oder ideologisch geprägten Gesellschaften ist sie daher keine individuelle Schwäche, sondern ein Problem der gesamten Gesellschaft.
Sie tritt in verschiedenen Formen auf:
In unserer modernen Gesellschaft zeigt sich Dummheit nicht nur im individuellen Verhalten, sondern gerade auch in kollektiven Handlungsmustern. Bonhoeffer betont, dass Menschen in Gruppen eher zu Kritiklosigkeit neigen, weil sie sich dem Denken der Masse unterordnen.
Wenn 50 Millionen Menschen etwas Dummes sagen, bleibt es trotzdem eine Dummheit. (Anatole France)
Ein klassisches Beispiel dafür sind Fake News. Während eine einzelne Person einen irreführenden Artikel vielleicht hinterfragen würde, führt Gruppendynamik oft dazu, dass Falschinformationen unkritisch weiterverbreitet werden – sei es in sozialen Medien oder in politischen Bewegungen.
Ein weiteres Beispiel ist die Verbreitung populistischer Parolen. Viele politische Narrative basieren nicht auf Fakten, sondern auf emotionalen Botschaften, die gezielt Angst oder Wut schüren. Menschen, die sich nicht die Mühe machen, die Aussagen zu hinterfragen, werden zu unfreiwilligen Erfüllungsgehilfen destruktiver Ideologien.
Bonhoeffer war nicht nur Theologe, sondern auch Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. In seinen Schriften ging es um Ethik, Verantwortung und die Natur des Bösen. Er arbeitete heraus, wie Dummheit entsteht und warum sie gefährlich ist.
Seine zentrale Erkenntnis: Dummheit hat nichts mit dem Intellekt zu tun. Vielmehr hat sie etwas mit der eigenen Bereitschaft zu denken und mit dem eigenen moralischen Kompass zu tun. Sie entsteht gerne dort, wo Menschen ihre Verantwortung abgeben und das Denken lieber anderen überlassen.
Bonhoeffer erkannte, dass Dummheit oft als Mittel zur Machtergreifung und zur Machterhaltung genutzt wird. Politische Regime und ideologische Bewegungen profitieren davon, dass Menschen sie und ihre Handlungen nicht kritisch hinterfragen, sondern sich lenken lassen.
Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf. (Theodor Fontane)
Dieses Prinzip zeigt sich auch heute: Wer Menschen mit Angst oder Wut steuert, kann sie dazu bringen, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Wer zulässt, dass Dummheit sich ausbreitet, schafft eine manipulierbare Masse.