Sie ist oft wie ein Schatten, der uns in den dunkelsten Momenten begleitet und mitunter dazu führt, dass wir uns vor den Herausforderungen des Lebens zurückziehen. Viele Menschen leiden unter unterschiedlichen Formen von Angst, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Die Symptome reichen von allgemeinen Sorgen bis hin zu spezifischen Phobien, und oft fühlen sich Betroffene in einer ausweglosen Situation gefangen. Jedoch gibt es Möglichkeiten, einen besseren Umgang mit Ängsten zu finden – oder ihnen sogar entgegenzutreten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Die Rolle der Angst im menschlichen Leben
Sie ist eine der grundlegendsten Emotionen, die wir als Menschen erleben und diente ursprünglich als lebensrettender Mechanismus, der uns vor Gefahren warnte und zum Handeln antrieb. In der heutigen Zeit jedoch, wo der viel zitierte Säbelzahntiger eben nicht mehr hinter jeder Ecke lauert, verändert sich häufig der Charakter der Angst: von einem Instrument, das uns vor realen Gefahren warnte, hin zu einer uns selbst blockierenden Belastung. Natürlich gibt es noch reale Gefahren, aber die westliche Welt ist doch um einiges berechenbarer geworden, als die, in der unsere Urahnen sich vor vielfältigen Bedrohungen schützen mussten. Trotzdem ist das Gefühl nicht obsolet, wir müssen nur verstehen, dass wir der – häufig irrationalen – Angst nicht mehr blind vertrauen dürfen.
Ein evolutionäres Überbleibsel
Tief in unserer Evolutionsgeschichte verankert, half sie uns früher, wachsam zu sein und Bedrohungen zu erkennen, um dann schnell und angemessen darauf reagieren zu können. Heute jedoch erleben viele Menschen intensive Gefühle der Furcht, die mit keiner realen Gefahr gekoppelt sind. Wir stellen uns vor, wie es wäre, wenn wir unseren Job verlieren würden oder unser Partner uns verlassen würde und sehen uns in unserem inneren Kino schnell verarmt und einsam unter einer Brücke lebend. Nein – wir sehen uns unter einer Brücke dahin vegetieren,- mit Leben hat unsere Vorstellung häufig nichts mehr zu tun.
Ein Beispiel aus meiner Praxis verdeutlicht, wie lähmend sie sein kann.
Die Schatten der Angst: Wie sie unser Denken beeinflusst
Herr Bergmann sitzt mir gegenüber und nimmt bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Minuten sein Cap ab, um sich die Haare mit der anderen Hand zurückzustreichen und sein Cap dann wieder aufzusetzen. „Ich weiß nicht, warum, Herr Göritz, aber ich habe immer das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren wird. Es ist, als ob ich ständig auf der Hut sein muss, selbst wenn nichts Bedrohliches in Sicht ist.“
„Wie äußert sich das ‘auf der Hut sein’, Herr Bergmann?“ möchte ich wissen, während ich mich en wenig mehr nach vorne neige.
„Es ist mir wirklich peinlich, darüber zu sprechen“ setzt er, um dann in Schweigen und Starre zu verfallen.
Ich nutze die Stille und stelle die Vermutung an, dass er Angst davor hat, ich könne schlecht von ihm denken, was er bejaht.
„Das ist auch irgendwie immer da – das Gefühl, nicht dazuzugehören. Aber eigentlich geht es mir darum, dass meine Gedanken wirklich freidrehen, sobald ich zur Ruhe komme.“
„Was heißt das denn genau? ‘Wirklich freidrehen’?“ möchte ich wissen.
Er seufzt tief, lupft sein Cap, fährt sich durch das Haar und zieht das Cap wieder auf, bevor er den Blick kurz hebt. „Meistens ist das abends, wenn ich zur Ruhe kommen sollte. Sobald ich auf der Couch sitze oder versuche, ins Bett zu gehen, fangen meine Gedanken an zu rasen. Es fühlt sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen, obwohl eigentlich alles in Ordnung ist.“
„Das muss wirklich sehr belastend sein, Herr Bergmann.“ sage ich langsam nickend. „Welcher Film läuft denn abends in Ihrem inneren Kino? Welchen Titel müsste er tragen?“ frage ich und eröffne ihm damit die Möglichkeit, sich in eine Beobachterposition zu bewegen.
Er sitzt ganz ruhig, aber mit durch aus munteren Augen da, bis er langsamzu grinsen beginnt und seine Augen aufblitzen. „Nachts alleine im Labyrinth der Killersorgen.“ kombiniert er geschickt gleich mehrere Filmtitel.
Ich steige schmunzelnd mit ein: „Also, Humor haben Sie also. War Ihnen das bewusst?“
Zufriedenes Nicken
„Und merken Sie auch, dass sich die gesamte Stimmung schlagartig veränder hat?“
Das Nicken läuft etwas schwächer weiter: „Ja, das ist mir auch aufgefallen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar sagen, dass es im Raum heller geworden ist.“
Das Beispiel von Herrn Bergmann zeigt deutlich, wie Angst unser Denken verengen und einschrenken kann. Ständige Sorgen lassen uns unseren Blick kaum mehr Richtung Leichtigkeit richten. Wir sehen nur noch Gefahren oder potenzielle Probleme, die wir mittels unserer Gedanken in Nullkommanichts zu „realen Bedrohungen“ ausbauen können.
Wir laufen Gefahr, sukzessive in eine Verzerrung unserer Wahrnehmung zu geraten, was dazu führen kann, dass wir an allen Ecken und Enden Gefahren sehen, die de facto nicht vorhanden sind oder zumindest deutlich überschaubarer, als unsere Wahrnehmung uns weis machen möchte. Entscheidungen jedwerder Art sind in diesem Zustand kaum mehr möglich.
Wichtig ist es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass diese Gedanken und Gefühle nicht die Realität widerspiegeln, sondern lediglich als Schatten über Ihrer Wahrnehmung liegen.
Angst und ihre Auswirkungen auf Entscheidungen
Angst beeinflusst maßgeblich die Entscheidungen, die wir Menschen treffen. In belastenden Situationen können Angstgefühle zu irrationalen Reaktionen führen. Betroffene, die unter Angststörungen leiden, haben oft Schwierigkeiten, klare Gedanken zu fassen.
Diese Symptome erzeugen bei ihnen eine große innere Unruhe, die die Entscheidungsfähigkeit erheblich einschränkt. Betroffene Menschen ziehen sich meist Stück für Stück aus dem Leben zurück,- sie vermeiden Situationen, die sie als bedrohlich empfinden. Jedoch findet der Kopf dieser Menschen immer wieder neue potentielle Gefahren, so dass dieser Kreislauf manchmal erst dann ein Ende hat, wenn die heimischen vier Wänder nicht mehr verlassen werden müssen.
Der Weg zu einer effektiven Behandlung kann durch Psychotherapie und gegebenenfalls Medikamente geebnet werden. Doch der erste Schritt besteht stets darin, sich bewusst mit seinen Sorgen auseinanderzusetzen und nach Möglichkeit zu erkennen, wann man dabei ist, in irrationale und reflexhafte Verhaltensmuster abzudriften.
Es ist es meiner Meinung nach ausgesprochen wichtig, die eigene Angst nicht als Feind zu betrachten, sondern als ein Signal, das Sie dazu anregen kann, Ihre inneren Ressourcen zu aktivieren und mutigere Entscheidungen zu treffen.
Der Teufelskreis: Wie Angst uns lähmt
Angst ist wie ein fieser Ohrwurm – sie schleicht sich in den Kopf, bleibt haften und wird immer lauter, je mehr man versucht, sie zu ignorieren. Sobald sie erst einmal Fuß gefasst hat, beginnt sie nach und nach, unser Denken und Handeln zu übernehmen. Sie führt zu einem sich immer weiter ausbreitendem Vermeidungsverhalten.
Wir vermeiden vielleicht erst nur Situationen, mit großen Menschenmengen, dann öffentliche Verkehrsmittel, weil wir uns eingesperrt fühlen, später kriegen wir auch noch im eigenen Auto Beklemmungsgefühle und irgendwann verlassen wir unser Haus oder unsere Wohnung nicht mehr. Die Angst hat gewonnen und hält uns davon ab, ein erfülltes Leben zu führen.
Strategien zur Überwindung
Angst zu überwinden erfordert Mut, aber auch ein paar clevere Strategien. Ein wichtiger erster Schritt ist, sich ihr bewusst zu stellen, anstatt ihr aus dem Weg zu gehen. Das bedeutet, sich gezielt den Situationen auszusetzen, die einem Angst machen – natürlich in einem Tempo, das man selbst bestimmen kann. Wichtig hierbei ist, zu beachten, dass es auch „gesunde“ Ängste gibt. Es geht hier um irrationale Ängste, die uns in unserem Alltag behindern und unsere Lebensqualität schmälern. Einen Löwenkäfig zu besteigen oder mit Alligatoren zu ringen gehört nicht dazu.
Wohl aber die Klientin, die sich lange Zeit nicht traute, mit anderen Menschen zu sprechen. Sie hatte Angst davor, für dumm gehalten und ausgelacht zu werden. Im ersten Schritt traute sie sich, kurze Gespräche mit engen Freunden und Verwandten zu beginnen, dann begann sie, auch in kleinen Gruppen etwas zu sagen, bis ihre Ängste durch ausreichend positive Erfahrungen nach und nach verblasst sind.
Achtsamkeitstechniken, wie bewusstes Atmen oder Meditation, können Sie dabei unterstützen, Ihr eigener Beobachter zu sein und die eigenen Gedanken und körperlichen Reaktionen von außen zu sehen, anstatt sie ausschließlich zu erleben. So haben Sie die Möglichkeit, Ihre Gedanken und inneren Prozesse von einer halbwegs neutralen Position aus zu bewerten.
Darüber hinaus kann der Austausch mit anderen – sei es in einer Therapie oder im Gespräch mit vertrauensvollen Menschen – helfen, die eigenen Ängste in einem neuen Licht zu sehen und sich weniger allein damit zu fühlen.
Fazit: Die Schatten der Angst und der Weg zu innerer Freiheit
Angst ist wie ein Schatten, der uns auf Schritt und Tritt folgt – manchmal kaum spürbar, und dann von jetzt auf gleich alles verschlingend wie ein ein Schwarm Piranhas.
Da aber außer Lucky Luke niemand schneller zieht als sein Schatten, müssen wir einen anderen Weg finden, um uns unserer Angst zu entledigen – oder zumindest einen Umgang mit ihr zu finden. Ein Klient erzählte mir vor einiger Zeit, wie er seinen Freunden den Effekt der Therapie verbildlicht: „Früher bin ich vor meinen Dämonen weggelaufen, mittlerweile kann ich mich mit ihnen an einen Tisch setzen.“
Der Weg zu innerer Freiheit beginnt also dort, wo wir den Mut aufbringen, uns unseren Ängsten zu stellen und sie als Teil unserer menschlichen Erfahrung zu akzeptieren. Es ist häufig ein Weg, der verschiedene Elemente beinhaltet:
- Selbstreflexion
- Konfrontation mit Angstauslösern
- Achtsamkeit
- Austausch mit Familie, Freunden oder Therapeuten
So lernen wir Stück für Stück, unsere Ängste zu verstehen und müssen uns nicht länger von ihnen beherrschen lassen. Wir holen uns Stück für Stück die Macht über unser Leben zurück.
Die Freiheit liegt nicht darin, angstfrei zu sein, sondern darin, sich trotz der Angst zu entfalten und den eigenen Weg zu gehen.
Weiterführende Informationen
- https://flexikon.doccheck.com/de/Angst
- https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/angststoerungen
- https://www.lasea.de/angstgefuehle/formen-der-angst
FAQ
Welches Gefühl steckt hinter Angst?
Es handelt sich um ein komplexes Gefühl, das oft mit Unsicherheit und Bedrohung verbunden ist. Sie kann aus der Wahrnehmung von realen oder eingebildeten Gefahren entstehen und manifestiert sich sowohl emotional als auch physisch. Bei vielen Menschen löst Angst ein Gefühl der Hilflosigkeit aus; sie empfinden, dass sie die Kontrolle über ihre Situation verlieren. Dies kann zu einem Zustand der inneren Unruhe führen, der sich in körperlichen Symptomen wie Herzklopfen oder Schwitzen äußert. Dahinter steckt häufig der Wunsch nach Sicherheit und Stabilität. Menschen fürchten sich vor Veränderungen oder dem Unbekannten, da diese oft mit potenziellen Risiken verbunden sind. Diese Emotion kann auch ein Schutzmechanismus sein, der uns vor möglichen Gefahren warnt und uns dazu bringt, vorsichtiger zu handeln. Darüber hinaus kann Angst tiefere emotionale Wurzeln haben, wie zum Beispiel die Angst vor Ablehnung oder Versagen. Diese Ängste sind oft mit negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit verknüpft und können das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Es ist wichtig, diese Emotionen zu erkennen und anzunehmen, um Wege zu finden, mit ihnen umzugehen und sie zu überwinden. Ein bewusster Umgang mit Angst kann zu persönlichem Wachstum und mehr Selbstverantwortung führen.
Was sind die drei Grundängste?
Die drei Grundängste, die viele Menschen empfinden, können als universelle emotionale Reaktionen betrachtet werden. Die erste Angst ist die vor dem Versagen. Sie kann lähmend wirken und dazu führen, dass man Gelegenheiten verpasst, weil man befürchtet, nicht den eigenen oder den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür könnte eine Person sein, die eine wichtige Präsentation vermeiden möchte, weil sie sich vorstellt, nicht gut genug abzuschneiden. Die zweite Angst ist die vor Ablehnung. Sie betrifft oft soziale Interaktionen und kann dazu führen, dass man sich zurückzieht oder sich nicht authentisch zeigt. Manchmal hält sie uns auch davon ab, neue Beziehungen einzugehen oder unsere Meinungen zu äußern. Ein Beispiel könnte eine Person sein, die sich nicht traut, bei einem Treffen ihre Ideen zu teilen, aus Sorge, nicht akzeptiert zu werden. Die dritte Angst ist die vor dem Unbekannten. Diese betrifft Veränderungen oder neue Situationen, die Unsicherheit mit sich bringen. Viele Menschen empfinden Unbehagen bei der Vorstellung, ihre gewohnten Umgebungen oder Routinen zu verlassen. Ein Beispiel hierfür könnte jemand sein, der zögert, einen neuen Job anzunehmen, weil er nicht weiß, was ihn dort erwartet.
Was definiert Angst?
Angst ist ein grundlegendes menschliches Gefühl, das oft als Reaktion auf Bedrohungen oder unsichere Situationen auftritt. Sie kann sowohl emotional als auch körperlich erlebt werden und manifestiert sich in verschiedenen Formen, von leichter Besorgnis bis hin zu lähmender Panik. Angst dient evolutionär gesehen als Schutzmechanismus, der uns vor Gefahren warnt und uns dazu anregt, angemessen zu reagieren. In ihrem Kern ist sie ein komplexes Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und körperlichen Reaktionen. Sie kann durch äußere Faktoren, wie Stress am Arbeitsplatz oder zwischenmenschliche Konflikte, ausgelöst werden, aber auch innere Aspekte wie Selbstzweifel und Perfektionismus spielen eine Rolle. Oft ist Angst eng mit der Vorstellung von Kontrolle verbunden; je weniger Kontrolle wir über eine Situation empfinden, desto stärker kann die Angst werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Angst auch eine evolutionäre Funktion hat, indem sie uns hilft, potenzielle Gefahren zu erkennen und zu vermeiden. Dennoch kann übermäßige Angst, die in Form von Angststörungen auftritt, das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, Strategien zur Bewältigung und zum Umgang mit Angst zu entwickeln, um ein ausgeglichenes und erfülltes Leben zu führen.
Was löst Angst im Körper aus?
Angst ist eine komplexe emotionale Reaktion, die tiefgreifende Auswirkungen auf den Körper hat. Ist sie da, aktiviert das Gehirn das limbische System, insbesondere die Amygdala, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Diese Aktivierung führt zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol. Diese Hormone bereiten den Körper auf eine „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion vor. Körperlich äußert sich dies in verschiedenen Symptomen: Der Herzschlag beschleunigt sich, um mehr Sauerstoff in die Muskeln zu pumpen, und die Atmung wird schneller und flacher. Dies geschieht, um den Körper auf eine mögliche Bedrohung vorzubereiten. Gleichzeitig ziehen sich die Blutgefäße zusammen, was zu einem Anstieg des Blutdrucks führt. Auch die Muskulatur kann sich anspannen, was zu Verspannungen und Schmerzen führen kann. Darüber hinaus kann Angst das Verdauungssystem beeinträchtigen, was zu Übelkeit oder einem „Knoten im Bauch“ führen kann. Langfristige Angstzustände können sogar zu chronischen Gesundheitsproblemen wie Burnout oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Es ist wichtig, die Signale des Körpers ernst zu nehmen und geeignete Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.