Das Drama-Dreieck: Täter, Opfer, Retter
Veröffentlicht am: 27.02.2024 von Jan Göritz
Veröffentlicht am: 27.02.2024 von Jan Göritz
Frau Müller kommt zu mir in die Praxis und schäumt vor Wut:
„Herr Göritz, ich weiß nicht mehr weiter! Der Mike…“ sie bricht ab um dann doch fortzufahren: „Ich weiß nicht mehr wohin mit mir. Ich bin so unglaublich wütend!“
Beim letzten Satz verwandelt sich ihr Gesicht in eine wutverzerrte Version, und ihre Stimme wird deutlich lauter.
„Was ist denn überhaupt los? Weswegen genau sitzen wir uns jetzt gegenüber?“ möchte ich von ihr wissen.
„Also, der Mike…“ Ich schaue sie fragend an. „Ach so, das ist mein Sohn.“ nimmt sie meinen Impuls auf. „Entschuldigen Sie bitte. Also der Mike… der baut nur Mist und ich fühle mich so alleine damit.“
„Sind Sie allein erziehend?“
Sie schnaubt verächtlich: „nee, könnte man denken, oder? Mit meinem Mann sprechen Sie direkt das nächste Thema an. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass der an meiner Seite steht.“
„Wie verhält sich denn Ihr Mann in dieser Situation?“
„Der verhält sich, als wäre er der Verteidiger von Mike. Wenn es darum geht, dass Mike mal mithelfen soll, dann sagt er immer ‚ach lass doch, ich mach das schnell‘ oder ähnliches.
Oder er sagt, ich muss Verständnis haben, wenn Mike mal Dinge vergisst. Ich hab aber kein Verständnis und ich fühle mich verdammt nochmal alleine damit.“
„Und Ihr Sohn? Was sagt und tut der?“
„Der macht echt nur sein eigenes Ding. Den interessiert gar nicht, was andere für Bedürfnisse haben. Und wenn ich ihm mal eine Ansage mache, dann heißt es gleich ‚Du liebst mich gar nicht.‘ und ‚du interessierst dich nicht für mein Leben‘.“
Und damit haben wir die drei Beteiligten des Dramas beisammen:
Und jeder hat recht in einem Drama, sonst ist es kein Drama. (Heiner Müller)
Es gibt hier drei Rollen:
Das bedeutet jedoch nicht, dass – wie hier im Beispiel – drei Personen beteiligt sein müssen. Da die Menschen, die auf eine solche Art verstrickt sind, die Rollen oftmals auch wechseln, kann man auch zu zweit, beispielsweise in einer Partnerschaft, einen solchen Kreislauf initiieren und am Laufen halten.
Auch wenn Menschen normalerweise eine bevorzugte Rolle einnehmen, ist es möglich, dass ein Wechsel der Rollen stattfindet. So kann zum Beispiel ein Mensch, der sich als Opfer fühlt, den Kontakt zu anderen Menschen – den vermeintlichen Tätern – abbrechen und wird dadurch zum Täter. Das bedeutet allerdings nicht, dass die andere Seite sich als Opfer wahrnehmen muss. (Siehe auch „Ausbruch“, Punkt 1: Selbstverantwortung)
Die Wechsel der Rollen sorgen dafür, dass in dieses System keine Ruhe einkehrt, – bis einer oder mehr der Beteiligten sich entscheidet, beziehungsweise sich entscheiden, die jeweils zugewiesene Rolle nicht mehr anzunehmen.
Die eingenommenen Rollen und die Rollenwechsel haben ihren Ursprung häufig in frühen Kindheitserfahrungen. Ebenso wie die Wahrnehmung des Gegenübers und die der eigenen Person.
Eine solche Konstellation verhindert in der Regel echte Nähe, da nicht die Menschen, sondern lediglich die Rollen miteinander interagieren. Um also aus solch einer Situation heraus echte Nähe zuzulassen, ist es also nötig, sich aus dem Drama zu lösen.
Das Dreieck basiert auf dem Abspulen unbewusster, fast reflexhafter Handlungsweisen. Deswegen ist der erste Schritt, um das Dreieck zu verlassen, sich bewusst zu machen, was man tut und warum man es tut.
Dazu muss man sich ehrlich damit auseinandersetzen, welche Bedürfnisse man hat, aber auch, welche Grenzen.
Analog zu den oben aufgezeigten Möglichkeiten ergeben sich in Bezug auf mein Beispiel vom Beginn des Artikels folgende mögliche Schritte