Sicherer Stand (Teil 2)

Teil 1 finden Sie hier

Sicherer Stand – den zweiten Fuß in die Gegenwart holen

Wie bekommen wir denn den zweiten Fuß in die Gegenwart?

Angestaute Emotionen

Im Falle der angestauten Emotionen ist es relativ einfach. Ich arbeite hauptsächlich mit zwei verschiedenen Methoden:

  1. Den Menschen, denen die Emotionen gelten, Briefe schreiben. In diesen Briefen kann man ungeschönt alles zum Ausdruck bringen, was man bisher nicht ausdrücken konnte. Wichtig ist hierbei, sich vor dem Schreiben des Briefes in die Position des Kindes hinein zu versetzen. Nur so kommt man an die angestauten Emotionen heran, auf die es hierbei ankommt.
  2. Die Emotionen aussprechen. Nun ist es auch für erwachsene Menschen keine angenehme Vorstellung, die eigenen Eltern (um die es hierbei häufig geht) mit Gefühlen aus längst vergangener Zeit zu konfrontieren. Die Eltern sind alt und man möchte sie nicht mehr mit den alten Themen behelligen. Oder sie sind bereits verstorben und wären somit gar nicht mehr als Ansprechpartner vorhanden.
    Da es hierbei nicht darum geht, jemanden Vorwürfe zu machen, sondern einzig und allein darum, den eigenen Gefühlen endlich den entsprechenden Raum geben zu können, arbeite ich hier mit einem Stuhl als Stellvertreter für die entsprechende Person.

Manchmal sagen wir meine Klienten, dass es für sie so ungewohnt sei, mit einem Stuhl zu reden. Meistens geben Sie nach etwas nachfragen zu, dass es hauptsächlich ungewohnt ist, die eigenen Gefühle aus der Kindheit zu fühlen und auszusprechen.
Mit etwas Unterstützung lässt sich dieser anfangs Widerstand aber meistens leicht überwinden. Viele Klienten sind überrascht darüber, was dann passiert beziehungsweise wie viel unausgesprochenes noch in ihnen vorhanden ist.
Auch wenn es nicht darum geht, den eigenen Eltern Vorwürfe für Situationen aus der Kindheit zu machen, höre ich auch immer mal von einem Klienten, dass er doch persönlich mit seinen Eltern gesprochen haben. Allerdings erst dann, wenn der größte emotionale Druck bereits abgebaut war.
Dann aber sind häufig Gespräche möglich, in denen man den eigenen Eltern noch einmal näher rücken kann.
Vielen Eltern scheint es gar nicht bewusst gewesen zu sein, welche Spuren bestimmte Dinge hinterlassen. Immer wieder berichten mir Klienten davon, dass sie sehr überrascht von der Reaktion ihre Eltern waren und beseelt nach Hause gefahren sind.
Das ist erfahrungsgemäß nicht in allen Fällen möglich, aber es ist möglich!

Emotionale Defizite auffüllen

Auf den ersten Blick mag es schwieriger wirken, emotionale Defizite nachträglich aufzufüllen. Doch das täuscht. Sehr häufig treten wir in die Fußstapfen unserer Eltern, wenn es um den Blick auf unser inneres Kind geht. Wir – oder bestimmte Aspekte unserer selbst – sind früher abgelehnt worden. Da wir diese Ablehnung als Kind akzeptiert haben, akzeptieren mussten um unsere Versorgung durch die Eltern nicht zu gefährden, haben wir diese Ablehnung mit in unser Leben als Erwachsener genommen.

  1. Ein wichtiger Schritt kann also sein, zu hinterfragen, ob unser Blick auf uns selbst überhaupt richtig ist. Häufig erzählen mir Klienten, sie seien „zickig“ oder „schwierig“. Wenn ich nachfrage, wie sie auf diese Idee kommen antworten Sie häufig: „Das hat meine Mutter (mein Vater) früher immer zu mir gesagt.“
    Da ist also das Urteil der Eltern unhinterfragt übernommen worden.
    Das Problem hierbei ist, dass normalerweise kaum jemand das eigene Selbstbild hinterfragt. Dazu kommt: wenn ich ein bestimmtes Urteil über mich verinnerlicht habe, dann sortiere ich jede Reaktion auf mich entsprechend ein: „Es ist ja kein Wunder, dass ich nicht befördert worden bin, so schwierig wie ich immer bin…“ Dabei wird dann übersehen, dass der Kollege vielleicht einfach kompetenter ist.
    Hier kann der Blick von außen, in Person eines Therapeuten oder Coaches, sehr hilfreich sein, denn Freunde und Familie sind Teil des eigenen Systems und damit keine neutrale Instanz mehr: „Das sagt er (sie) ja nur, weil er (sie) mein Freund/Vater/Bruder (meine Freundin/Mutter/Schwester) ist.“
  2. Ein anderer Weg, emotionale Defizite zu beheben, sind Meditationen zum Thema „inneres Kind“. Auf YouTube findet man eine große Auswahl. Klicken Sie sich durch und schauen Sie, welche Meditation für Sie die richtige ist: YouTube.
  3.  Eine dritte Möglichkeit ist die, selber der Elternteil für das Innere Kind zu werden, den sie früher gebraucht hätten. Stellen Sie sich vor, ihr inneres Kind wäre ein real existierendes Kind – Ihr Kind. Das ist im ersten Moment ein ungewohnter und abstrakter Gedanke, beinhaltet aber sehr viel Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung.
    Niemand kann etwas dafür, was ihm als Kind widerfahren ist und welche Spuren das hinterlassen hat. Aber heute, wo wir erwachsen sind, können wir selber entscheiden, ob wir unsere inneren Zustände so hinnehmen wie sie sind oder ob wir die Verantwortung für uns übernehmen und selber für innere Harmonie sorgen wollen.
    Fragen Sie sich immer wieder einmal, ob sie das, was sie gerade über sich gedacht haben auch ihrem eigenen Kind sagen würden. Und wenn die Antwort lautet: „nein, natürlich nicht!“, dann fragen Sie sich doch, warum sie über sich nicht so denken, wie sie mit ihrem eigenen Kind reden würden.

Natürlich gibt es nicht DIE eine Lösung, bestenfalls nutzt man situativ die Möglichkeit, die gerade passt.
Vielleicht müssen Sie auch erst einmal angestaute Emotionen loswerden, bevor sie beginnen Defizite aufzufüllen.

Inneres Kind - Jan Göritz - Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater in Hamburg
Foto: © Ivanko80 / shutterstock

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