Gefühle? Was soll das denn bringen?

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Gefühle unter Verschluss

„Was soll mir das denn bringen?“ – diese Frage höre ich von meinen Klienten häufiger dann, wenn es darum geht, den angestauten Gefühlen bezüglich einer bestimmten Person Luft zu machen.
Bei den Gefühlen handelt es sich in erster Linie um unangenehme Gefühlsregungen wie:

  • Wut
  • Enttäuschung
  • Trauer
  • Frust
  • Hass

Das sind natürlich alles keine Gefühle, die wir gerne fühlen. Geschweige denn, dass wir das, was wir – wahrscheinlich mühsam – unter Verschluss halten, bewusst hervorholen möchten. Entsprechend ist die erste Reaktion meiner Klienten häufig eine ablehnende, begründet damit, dass das ja doch nichts bringen würde. Denn meistens ist schon mindestens ein Versuch erfolgt, das Gespräch mit der betreffenden Person zu suchen und fast immer war das Resultat noch mehr Wut, noch mehr Enttäuschung, noch mehr Traurigkeit, noch mehr Frust oder noch mehr Hass.
Doch all diese verdrängten Gefühle beinhalten eine große Menge Kraft und Macht, die ebenfalls verdrängt sind.
Wir berauben uns also selber eines Teils unserer Kraft, wenn wir nicht all unseren Gefühlen den angemessenen Raum geben!
Sehr häufig tragen wir solche Gefühle jedoch schon sehr lange mit uns herum, so dass sie sich fast anfühlen, als wären sie ein Teil von uns. Das verringert die Bereitschaft, diese Gefühle loszulassen in den allermeisten Fällen.

Nicht gelöste Gefühle als Grundlage für Opfer-Dasein

Dennoch halte ich es für außerordentlich wichtig,

  • sich diesen Empfindungen zu stellen,
  • diesen Gefühlen einen angemessenen Raum zu geben und sie zuzulassen, und
  • diese Emotionen, die wie Ballast auf der Seele liegen, letztlich loszulassen.

Wenn wir uns diesen inneren Regungen nicht stellen, also Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen, dann werden wir immer ein Stück weit Opfer bleiben.
Nicht nur Opfer unserer Erziehung beziehungsweise unserer Eltern, sondern auch Opfer

  • unseres Chefs
  • unseres Partners
  • unserer Kollegen
  • unserer Kinder.

Der Grund dafür ist der, dass wir uns früher nicht positioniert und abgegrenzt haben, weil wir als Kind in der jeweiligen Situation machtlos waren. Dieses Gefühl von Ohnmacht wird uns solange begleiten, bis wir uns der Situation stellen und erfahren, dass wir unsere Gefühlen ausdrücken können und dürfen, ohne dass schlimme Konsequenzen folgen.

Möglichkeiten, Gefühle zu lösen

In erster Linie arbeite ich hier mit zwei verschiedenen Möglichkeiten:

  • für die betreffende Person (Vater, Mutter, …) wird stellvertretend ein Stuhl in den Raum gestellt, und der Klient hat die Möglichkeit, all das zu äußern, was er sich all die Jahre nicht auszusprechen getraut hat.
  • der Klient schreibt einen Brief an die Person, die mit den ungelösten Gefühlen zu tun hat. Teil der Aufgabe ist, dass dieser Brief nie abgeschickt wird, so dass der Klient die Möglichkeit hat, wirklich alles zu schreiben.

Beide Möglichkeiten funktionieren auch mit bereits verstorbenen Personen, so dass es in der Durchführung keine Grenzen gibt.
Erfahrungsgemäß braucht es manchmal mehrere Anläufe, weil die eigenen und über viele Jahre etablierten Schranken manchmal nur Stück für Stück überwunden werden können.

Praktische Anwendung

Wenn auch Sie merken, dass Sie sich in bestimmten Situationen nicht in Ihrer Kraft sind, wenn Sie sich dann und wann gehemmt oder klein fühlen, dann können Sie sich fragen, wer aus Ihrer Vergangenheit mit den entsprechenden Gemütsbewegungen zu tun hat. Fragen Sie sich, welche Emotionen und welche Kräfte blockiert sind.
Vergegenwärtigen Sie sich die damalige Situation oder die Situationen und lassen Sie die Gefühle wieder spürbar werden.
Nehmen Sie sich dann ungestörte Zeit – Telefone aus – und fangen Sie an, den Brief an Vater, Mutter, Bruder, Schwester, … zu schreiben.
Achten Sie, anders als Sie es wahrscheinlich gewohnt sind, nicht auf Form und Grammatik, sondern schreiben Sie so, wie es aus Ihnen heraussprudelt. Möglichst, ohne darüber nachzudenken.
Wenn Sie den Brief geschrieben haben, legen Sie ihn für zwei bis drei Tage beiseite. Lesen Sie ihn dann noch einmal und überprüfen Sie ihn auf Stimmigkeit. Nehmen Sie Korrekturen vor, beziehungsweise schreiben Sie ihn erneut – solange, bis der Brief absolut stimmig ist.
Dann überlegen Sie, wie Sie mit diesem Brief verfahren möchten. Ich empfehle, ihn zu verbrennen und ihn so zusammen mit allen inneren Blockaden loszulassen.
Die Vergangenheit ist nun endgültig vergangen und Sie können all Ihre Kraft in Besitz nehmen und der eigenverantwortliche Erwachsene werden, der Sie eigentlich sind. 

Gefühle? Was soll das denn bringen? - Jan Göritz - Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater in Hamburg

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